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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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B. stellten sicher, ihre Quelle dürfe keinesfalls »dekonspiriert« werden. War es Quelle »Max«, die unbedingt geschützt werden sollte?
    In einem gespenstischen Geheimverfahren vor dem Militär-Obergericht Leipzig wird Maerkers in eine Falle getappter Freund wegen »Spionage« zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Haft wird per »Gnadenentscheid« auf sechs Jahre herabgesetzt, der 64-Jährige bald unter mysteriösen Umständen, womöglich wegen Krankheit, abgeschoben. Daheim berichtet er,»Opfer einer Denunziation« geworden zu sein. Sofern die Freiheitsberaubung nicht verjährt ist, womöglich ein Fall für die Bundesanwaltschaft.
    »Max« stirbt Ende 1987. Am 3. November speist die HVA seine letzte Lieferung in die Datenbank ein: »Bewertung der gegenwärtigen innerparteilichen Differenzen«, eine Kopie geht nach Moskau. Der Genosse wird auf dem Friedhof Beuel unter einer deutschen Eiche beerdigt. Ob sein Führungsoffizier, Leutnant Dirk T., dabei war, ist nicht bekannt. In SPD-Nachrufen hieß es, Maerker habe sich »unermüdlich für die Partei eingesetzt«. Aber für welche?

Dressiert, lebenslang
    Begegnung mit Oberst Rataizick, der es genau so wieder tun würde
     
     
    Sein Arbeitsplatz war auf keinem Stadtplan eingezeichnet. Oberst Rataizick war Chef des Stasi-Gefängnisses Berlin-Hohenschönhausen. Er war zuständig für die Zersetzung der Seelen von Regimekritikern. Begegnung mit einem, der das heute wieder tun würde.
     
    Er setzt sich in die erste Reihe auf den ersten Stuhl links. Siegfried Rataizick kommt lange vor der Zeit zum Treff der alten Kameraden von der DDR-Staatssicherheit ins frühere Haus des »Neuen Deutschland«, als fürchte er, jemand würde ihm den Platz ganz vorn im Blauen Salon streitig machen.
    Alles an der geheimnisumwitterten Person ist unscheinbar: gedecktes Sakko, beiges Hemd, braunes Mäppchen, das grauschwarze Haar betont die Farblosigkeit. Trotzdem sieht der Pensionär nicht so abweisend aus wie auf den Fotos seiner Kaderakte. »Streng vertraulich!« und akribisch hält das Dossier Rataizicks Aufstieg zum Oberst und Chef der Abteilung XIV im berüchtigten Stasi-Knast Hohenschönhausen fest, Kürzel UHA 1: zuständig für »Leitung, Planung und Organisation des politischoperativen Untersuchungshaftvollzugs«.
    Sein Büro lag im Sperrbezirk an der Genslerstraße, eine der deprimierendsten Adressen der SED-Diktatur. 4 Meter 25 hohe, von Scheinwerfern abgetastete »Objektumwehrungsmauern« schotteten den Sektor ab. Man muss diese Insel der Verdammten vor Augen haben – abgekapselt von der Außenwelt, auf keinemStadtplan verzeichnet. Man muss die Leidensgeschichten Inhaftierter kennen, »feindlich-negative Personen« im Stasi-Jargon, einfach von der Straße weggefangen wie zum Beispiel der Dichter Jürgen Fuchs. Mit dem Kastenwagen kamen Festgenommene in der »Garagenschleuse« an. Von Angst erfüllt, traten sie aus dem Dunklen ins grell explodierende Licht von 20 Lampen. Den Ort verschwieg man ihnen. Ein Wärter, »Major Arschkieker« im Slang, machte die Leibesvisitation.
    Geheimdienstler warteten in Blümchentapeten, scherten sich nicht groß um Paragraphen, was zigfach belegt ist. Nach diesen Schilderungen verhielten sich die Bewacher, »als gehörten sie biologisch einer anderen Art an«.
    Genslerstraße 66: eine kalte, perfekte Schattenwelt. Ein Areal umfassender Verlassenheit. In der heutigen Gedenkstätte gehen die Gespenster der Vergangenheit um, die Zeit steht still. Nicht greifbarer Schrecken lauert, der sich im »U-Boot« ins Grauenhafte steigert. In dem Kellerverlies folterten die Sowjets bis 1950 Gefangene. Die UHA 1 war Durchgangsstation für Verlorene wie Sylvester Murau. Stasi-Schergen hatten den in den Westen Geflüchteten hierhin zurückgeholt, er wurde bald in Dresden geköpft.
    Über 38 Jahre war der Bau das Dienstobjekt, DO, von Oberst Rataizick.
    Öffentliches Wissen über den Genossen gab es nicht. Er kassierte sagenhafte 46 500 Mark im Jahr, hatte einen Fahrer mit Fiat, die zehn Minuten zur Wohnung in einem Stasi-Block ging er zu Fuß. »Dr. Rataizick« steht auf der dritten Klingel rechts. Die Miete betrug 83 Mark für seine 69 Quadratmeter. Nun seien im frisch renovierten Haus 463 Euro fällig, was seine Empörung herausfordert. In Köpenick wartete damals auf die Eheleute (seine Frau war ebenfalls beim MfS) die standesgemäße Datscha.Im Viertel lebte viel Prominenz von Mielkes Firma, hübsch eingegrünt in klassenloser Toplage. Jetzt sind die

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