Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
Vom Netzwerk:
hinterträgt Interna über Gespräche von Kanzler Helmut Schmidt mit US-Präsident Jimmy Carter. Die HVA hört »konzeptionelle Vorstellungen zu Verhandlungen mit der DDR« mit, erfährt »Erwartungen … zum geplanten Honecker-Besuch in der BRD« (1987) aus erster Hand. Nummer 1168 und 1205 betreffen »Auswertungen« der Reisen von Kanzlerkandidat Johannes Rau nach Washington und Moskau, »Bewertungen des Besuches von Lafontaine in der DDR« folgen.
    In seinem Buch »Der diskrete Charme der DDR« untersucht Hubertus Knabe »Max«-Aktivitäten zum SPD-Raketenparteitag 1982. In Münchens Olympiahalle stand eine historische Entscheidung an: Nachrüstung ja oder nein. Der Agent bringt acht den sicherheitspolitischen Leitantrag betreffende Tranchen, referiert »Haltungen« von Unterbezirken, gibt Infos zur Versammlungs-Regie, vermeldet »zu erwartenden Widerstand«, plaudert Ergebnisse der »Tagung linker Delegierter« aus, nennt die »voraussichtliche neue Führung«. Als wäre Wolf selbst da gewesen, ist die HVA über Demos zum Parteitag und Reaktionen des Vorstands auf den Protest im Bilde.
    Ihr »Max« saß dann laut Protokoll als der »Delegierte Maerker, Rudolf« mit im Plenum, Prototyp des Einflussagenten aus dem Stasi-Lehrbuch. 1981 hatte Gailat – »Nur für den Leiter zur persönlichen Auswertung bestimmt!« – sein »Konzept für politischaktiveMaßnahmen zur Förderung der Friedensbewegung in der BRD« ausgeheckt. Eine wesentliche Aufgabe sei es, »während der Tagung Initiativanträge zu formulieren und zu lancieren, um die Manöver der Führung zu unterlaufen«. Eine Wissenschaft für sich. Kapitel 4.4 seiner Doktorarbeit behandelte die »Einflußnahme auf fortschrittliche Alternativkräfte innerhalb der Sozialdemokratie durch IM und Kontaktpersonen«. Im vertrauten Kreis gefiel sich der Oberst gern mit Andeutungen, welche Anträge auf welchen SPD-Parteitagen von der HVA vorformuliert worden waren. Besonders häufig fiel der Name »Hessen-Süd«.
    Ein Ohrenzeuge erläutert, Spitzel dieses Kalibers hätten sich nicht nur um das Aktuelle gekümmert, sondern gezielt Material zu »Info-Schwerpunkten« besorgt. Bei Gailat hieß es: »Das kann nur der Max.« In HVA-»Jahresarbeitsplänen« stand die bewährte Formel: »Realisierung/Max«! In der Summe wirkt die Masse seines Verratsmaterials zufällig und richtungslos. Die Bedeutung ergab sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft just aus »der Bandbreite«. Ihm hätte für Agententätigkeit nach Angaben aus Justizkreisen eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren gedroht.
    Maerker war Mitautor des Buches »Sozialismus ist das Ziel«. 1984 wurde dem linken Flügelmann parteiintern vorgeworfen, »teilweise kritiklos« Positionen der Friedensbewegung übernommen zu haben. Beim Aufruf zur Blockade des Bonner Verteidigungsministeriums fehlte er nicht. Heute ist es eine Überlegung wert, was er als SPDler Rudi und was er als »Max« aus Wolfs Rudel tat.
    Warum er sich einst der DDR verschrieb, liegt im Dunkeln. Den kargen Äußerungen Gailats ist lediglich zu entnehmen, »Max« habe »ausschließlich ideell« und aus »politischer Überzeugung«gehandelt, niemals Geld kassiert. Vielleicht ist der Anknüpfungspunkt im »Vorgang Ring« zu suchen, einem besonderen Schurkenstück aus dem Repertoire des Mielke-Ministeriums.
    In den Sechzigern gewann »der Rudi« für seinen SPD-Ortsverein Beuel das Mitglied Kurt Jacob. Eine verhängnisvolle Begegnung in der Bonner Kneipe »Tante Clara«. Am 7. Januar 1972 holt die Stasi besagten Jacob zwischen Karl-Marx-Stadt und Leipzig bei Burgstädt aus dem Zug, beschuldigt ihn, »geheimzuhaltende Nachrichten« der DDR an SPD und Verfassungsschutz geliefert zu haben. Den Vernehmern erzählt Jacob, im Auftrag Maerkers unterwegs gewesen zu sein, jenes »Max« also, der längst als dicker Fisch an der HVA-Angel zappelte.
    Federführend in der Aktion gegen Jacob ist die Stasi aus Karl-Marx-Stadt. Dort tauchen von der HVA II »die Genossen M. und B. (App. 3614 oder 2681)« auf – Maerkers Führungsoffiziere. Nach Punkt 2 einer Aktennotiz wollen sie »in Erfahrung bringen, welche … Maßnahmen bezüglich der Bearbeitung des Jacob wir einzuleiten beabsichtigen, da laut Zustimmung des Genossen Generalleutnant WOLF wir die operative Bearbeitung des Jacob mit dem Ziel der Liquidierung zugesichert bekommen haben«. Der Vorgang belegt nebenbei, dass sich der graue Wolf in seinem Leben eben nicht nur mit Kochbüchern beschäftigte. M. und

Weitere Kostenlose Bücher