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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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plötzlich ein, »wie kommst du eigentlich hierher?« Lili zog einen Schmollmund – plötzlich wieder ganz die Alte – und warf mit einer lässigen Bewegung ihre Haare zurück.
    »Grandpa hat heute Morgen die Polizei benachrichtigt und ist offenbar mit ihr hierher gefahren. Die Schlüssel steckten noch in der Tür, und deine Tasche lag vor der Treppe. Sie haben angenommen, du wärst entweder abgehauen oder zu einem Kumpel gefahren. Ich fand das gleich merkwürdig. Wenn man bedenkt, dass du nicht gerade viele Freunde hast, und wenn du hättest abhauen wollen, würdest du wohl kaum deine Tasche hier und die Buchhandlung offen gelassen haben . . . Und wenn es eine Entführung gewesen wäre, hätten die Kidnapper sicher die Situation ausgenutzt: Hier liegen eine Menge alte Bücher herum, die bestimmt viel Geld bringen. Aber offenbar war nichts gestohlen worden. Ich habe mir daher gesagt, dass du auf jeden Fall noch irgendwie, irgendwo im Haus sein musstest. Und da deine Tasche neben dem Kellereingang lag, dachte ich, dass man wohl am besten dort anfangen sollte.«
    Sam konnte sich einen anerkennenden Pfiff nicht verkneifen: »Wow!«
    »Die Sache ist nur, dass meine Mutter gestern Abend mit meinem Stiefvater zurückgekommen ist und dass dieser Idiot unbedingt die Nacht über bei Grandma bleiben wollte. Soll heißen, Mister-Ich-bin-schlauer-als-der-Rest-der-Welt wollte uns in diesen schweren Momenten beistehen, denn wir sind doch alle eine Familie. Der hatte uns gerade noch gefehlt!«, brummte sie. »Kurz, ich hatte nicht die Absicht, den ganzen Tag zuzuhören, wie der Schönling um meine Mutter herumscharwenzelt, und auch noch Beifall zu klatschen . . . Ich habe ihnen gesagt, ich würde heute Nachmittag zu Jennifer gehen, habe mir deine Schlüssel geschnappt und mir selbst ein Bild von der Sache gemacht.«
    Er war sprachlos.
    »Das hast du für mich gemacht! ?«
    »Für dich?«, wehrte sie ab. »Wir wollen lieber nicht übertreiben. Ich habe es vor allem für die Großeltern getan. Wenn du wüsstest, was für eine Stimmung zu Hause herrscht! Übrigens«, fügte sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr hinzu, »sollten wir lieber sehen, dass wir nach Hause kommen. Morgen kommt die Polizei, um den Stein zu untersuchen, und sie wird sicher bald herausfinden, was dahinter steckt.«
    »Auf keinen Fall! Wenn du die Polizei hierher schickst, werden sie alles beschlagnahmen, den Stein, das Buch, und es zum Untersuchen mit in ihr Labor schleppen. Dann wird mein Vater nie zurückkommen können.«
    »Was?«
    »Aber, Lili, verstehst du denn nicht? Mein Vater hat das alles hier eingerichtet. Von da unten ist er verschwunden, in ich weiß nicht welches Zeitalter! Wenn durch Zufall jemand den Stein beschädigt oder wegnimmt, sitzt er dort fest, in irgendeinem fernen Jahrhundert! Deshalb hat er ihn so gut versteckt.«
    »Meinst du?« »Das ist doch klar! Wir dürfen auf gar keinen Fall mit jemandem darüber sprechen!«
    »Auch nicht mit Grandpa und Grandma?«
    »Das würde sie nur noch mehr aufregen. Es kann ihm sowieso niemand helfen. Ich meine hier, in unserer Zeit . . . Wir müssen warten, bis er zurückkommt, und unbedingt den Stein in Ruhe lassen. Es geht um Leben und Tod, verstehst du?«
    Sein Ton war so eindringlich, dass Lili unwillkürlich einen Schritt zurückwich. In diesem Moment ertönte von der anderen Seite des Wandbehangs Musik: die Melodie von Der Junge vom Strand.
    »Das ist für mich!«
    Lili sprang auf. Samuel folgte ihr. Aus ihrer rosafarbenen Tasche kramte sie ein nagelneues Handy, das aufgeregt blinkte.
    »Hallo? Ja ... ja, Mama. Nein, ich . .. ich bin noch immer bei Jennifer. Ja, mach dir keine Sorgen, ich komme ... In zwanzig Minuten? In Ordnung . . .«
    »Klasse Klingelton«, lästerte Sam.
    »Dir muss er ja nicht gefallen. Mein Stiefvater hat mir ein neues Handy aus Singapur mitgebracht. Angeblich ein Superding: Internet, Fotoapparat, Spiele in Farbe . . . Aber wenn er glaubt, er könnte mich mit seinen teuren Geschenken kaufen, hat er sich geschnitten!«
    »Was wollte deine Mutter?«
    »Ich soll nach Hause kommen. Was sollen wir ihnen sagen?« »Dass wir uns zufällig vor dem Haus getroffen haben.«
    »Aber . . . du?«
    »Ich denk mir schon irgendwas aus. Schlimmer als die Geschichte mit den Wikingern kann es kaum werden, oder?«
    Er hob prüfend Lilis Tasche an.
    »Meinst du, wir können das Buch da reinstecken?«
    Unglaublich! Fast hatte er vergessen, wie gut das alles schmeckte: Quarkröllchen . . .

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