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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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von Vlad Tepes war? Allerdings war er in seinem schlafanzugartigen Gewand denkbar unpassend gekleidet, noch dazu bei diesen Temperaturen! Vielleicht sollte er ihnen lieber in einigem Abstand folgen und auf eine Gelegenheit warten, sie anzusprechen?
    In diesem Augenblick ertönte aus dem kleinen Wäldchen am Rande des Friedhofs lautes Geschrei: »Los! Auf sie! Los!«
    Das junge Mädchen stieß einen Schrei aus, und ihr Vater schimpfte laut: »Verfluchte Bande!«
    Banditen? Räuber?
    Samuel überlegte nicht lange. Er sprang auf, hob einen Stein vom Weg auf und eilte ihnen zu Hilfe. Drei Jungen, ungefähr in seinem Alter, stürzten sich auf den alten Mann und traktierten ihn mit Stöcken.
    »Dir werden wir es zeigen, Alter! Hier! Hier!«
    In zwei Sätzen war Samuel hinter dem ersten und versetzte ihm einen gezielten Schlag ins Genick. Der Junge sackte zusammen und ließ seinen Knüppel fallen. Die beiden anderen drehten sich zu ihm um.
    »Aus welchem Loch kommt denn diese Schmeißfliege? Ich werde dich verrecken lassen wie einen Hund!«
    Der Größere – auch wenn er Sam kaum bis zur Schulter reichte – stürzte sich unter wüsten Beschimpfungen auf ihn. Offensichtlich hatte er von den goldenen Regeln eines Meister Yaku noch nie etwas gehört, denn er warf seinen Körper nach vorn, ohne mit einer Abwehrreaktion seines Gegners zu rechnen. Dabei bestand die wesentliche Technik beim Judo doch gerade darin, die Energie und die Kraft des Angreifers zu nutzen und gegen ihn zu wenden. Samuel hob zur Abwehr den Arm und, anstatt zurückzuweichen, drückte er schnell seine Hüfte nach vorn. Überrascht stolperte der Rüpel über sein Bein und machte einen Purzelbaum in den Schnee, wobei Sam ihm nachträglich einen Tritt ins Kreuz versetzte. Ohne die Reaktion des Dritten abzuwarten, hob er den Stock auf und ließ ihn windmühlenflügelähnlich über dem Kopf kreisen, wie er es einmal bei Meister Yaku beim Kendo-Training gesehen hatte. Der Jüngste aus der Bande wich einen Schritt zurück und starrte fassungslos auf die weiße Erscheinung, deren Stock pfeifend die Luft durchschnitt. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und flüchtete zurück in den Wald, wenig später gefolgt von dem Größeren. Zurück blieb der dritte Dieb, der noch immer mit der Nase im Schnee lag.
    »Vater!«, schrie Yser und rannte zu ihm.
    »Mein Handgelenk!«, stöhnte er. »Sie haben mir das Handgelenk gebrochen!«
    Sie half ihm aufzustehen, während Sam überprüfte, ob der Bandit noch atmete. Er war nur bewusstlos und würde ein paar Tage lang mit saftigen Kopfschmerzen zu rechnen haben.
    »Miese kleine Banditen«, schimpfte der Alte. »Ohne Euch, mein Junge . . .«
    Mit einer Mischung aus Anerkennung und Erstaunen musterte er Sam von Kopf bis Fuß.
    »Gott in seiner Güte muss Euch auf unseren Weg geschickt haben! Aber darf man angesichts dessen, dass Ihr fast nichts anhabt, fragen, was Euch widerfahren ist?«
    »Ich . . . ich bin auch überfallen worden«, log Sam. »Sie waren in der Überzahl und haben mir meine Kleider genommen.« »Haltet Euch doch schadlos an diesem Früchtchen hier, das wäre nur gerecht!«
    »Es ist kalt«, gab Sam zu bedenken, der seine Zehen langsam taub werden spürte. »Wenn ich ihm seine Kleider nehme...«
    »Nur keine Skrupel, mein Junge! Sicher warten seine Kumpanen irgendwo hinter den Bäumen auf ihn. Sobald wir weg sind, werden sie sich bestimmt um ihn kümmern.«
    Sam zögerte kurz, dann ließ er sich von den Argumenten des alten Mannes überzeugen. Er zog dem Räuber die Stiefel aus und die wollene Jacke, ließ ihm jedoch seine Hose und die dicke Strickjacke.
    »Ja, so ist es sicher vernünftiger«, stimmte der Mann im Pelzmantel zu. »Leider kann ich Euch nicht die Hand geben, aber erlaubt, dass ich mich vorstelle: Baltus, Hans Baltus, von der Gilde der Bildermacher. Von nun an stets Euer Diener . . . Und das ist meine Tochter Yser.«
    Das junge Mädchen neigte leicht den Kopf zum Gruß, während sie ihren Vater stützte. Von Nahem war sie sogar noch hübscher, mit einem schalkhaften Glitzern in den Augen. Ein paar vorwitzige blonde Locken blitzten unter ihrem Hut hervor. Doch sie hielt den Blick gesenkt, wahrscheinlich schickte es sich in jener Zeit für ein Mädchen nicht, Fremden direkt in die Augen zu sehen. Baltus war Sams leichte Verwirrung offenbar nicht verborgen geblieben, denn er fuhr in lauterem Ton fort: »Lasst uns nicht länger hier verharren, junger Freund. Es könnte sein, dass diese Nichtsnutze

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