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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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wollte. Baltus rief dem Schiffer zu: »He, Steuermann! Ich bin Hans Baltus von der Gilde der Bildermacher. Ich brauche jemanden, der mich und die Meinen am Sankt-Anna-Kai absetzt. Liegt das auf Eurer Route?«
    »Die Bildermacher haben meine volle Hochachtung! Steigt ein, ich bringe Euch nach Sankt Anna«, erwiderte der andere mit einer Verbeugung.
    Sie suchten sich, so gut es ging, einen Platz zwischen der Ladung, während der Schiffer und sein Sohn ihre Staken ins Wasser tauchten und auf den Kanal zusteuerten. Baltus setzte sich auf eins der Fässer und flüsterte Sam ins Ohr: »Ich glaube, Ihr habt mir noch nicht Euren Namen genannt.«
    »Samuel . . . Samuel Waagen.«
    »Seid Ihr zum ersten Mal in Brügge, Samuel?«
    »Ich hoffte, bei meiner Tante unterzukommen.«
    »Demnach kennt Ihr sonst niemanden in der Stadt?«
    Samuel ergriff kurzerhand die Gelegenheit und antwortete: »Kurz vor seinem Dahinscheiden erwähnte mein Vater einen gewissen Vlad Tepes. Er soll hier in der Nähe wohnen, aber ich weiß nicht, wo . . .«
    »Vlad Tepes? Nie gehört. Obwohl es an Fremden bei uns nicht gerade mangelt: Engländer, die uns ihre Wolle liefern, Italiener, die sie wiederum kaufen, Deutsche, die mit allem Möglichen handeln, Franzosen und Spanier, die sich auf unseren Märkten niedergelassen haben, und natürlich Burgunder, die zum Gefolge des Grafen gehören. Aber Vlad Tepes, der Name sagt mir überhaupt nichts.«
    Samuel sackte auf seinem Fass in sich zusammen. Er hatte es bereits geahnt, und Baltus bestätigte nur seine Befürchtungen: Er war weder in der richtigen Zeit noch am richtigen Ort. Brügge lag eindeutig im Westen Europas, während die Walachei sich viel weiter im Osten befand. Und selbst wenn er durch ein Wunder dorthin kommen sollte, wäre er immer noch fünfundzwanzig bis dreißig Jahre zu früh und Vlad Tepes ein Säugling!
    »Mein Haus steht Euch offen, wenn Ihr es wünscht«, bot der alte Mann an. »Bis Ihr entschieden habt, wie es weitergehen soll. Hier gibt es Arbeit, und für einen beherzten jungen Mann allemal. Besonders bei den anstehenden Festlichkeiten. Ihr wisst doch sicher, dass Graf Philippe in Brügge weilt und dass er sich vermählt hat?«
    »Nun, ich . . . habe dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt.«
    »Mit Isabella von Portugal . . . Die Verbindung wurde letzte Woche geschlossen, und seitdem feiert die ganze Stadt. Wenn Ihr bleibt, könnt Ihr an den Turnieren und den Lebensmittelschenkungen teilhaben. Eine freie Unterkunft, fürchte ich jedoch, werdet Ihr im Umkreis von fünf Meilen nicht finden. Da wäret Ihr also besser bei mir untergebracht.«
    Auf dem Weg den Kanal hinauf fuhr die Barke an einem zweiten Befestigungsring entlang, aus dem Musik und Lachen drang.
    »Dort, auf den großen Plätzen im Zentrum der Stadt, spielt sich alles ab«, bemerkte der alte Mann. »Zu viele Menschen, zu viel Lärm . . . Meine Tochter und ich wohnen glücklicherweise etwas abseits. Kommt, wir sind da.«
    »Sankt-Anna!«, kündigte der Schiffer an.
    Sie gingen den rutschigen, schwach beleuchteten Kai entlang. Hans befühlte sein Handgelenk und schimpfte: »Diese Halunken haben mich fast eine Hand gekostet! Dabei ist jetzt wirklich nicht der Zeitpunkt dafür! Beeilen wir uns, ein wärmendes Feuer wird uns gut tun.«
    Sie gingen schnellen Schrittes durch eine kalte Gasse, bis zu Baltus’ Wohnhaus, wo ihnen eine Dienerin öffnete, eine stattliche Gestalt, die den gesamten Türrahmen ausfüllte. Sie war offensichtlich wenig erfreut über den unverhofften Gast und brachte kaum ein »Guten Abend!« heraus. Sam war überrascht von dem starken Geruch, der ihm entgegenströmte: Kampfer oder Eukalyptus? Auf jeden Fall erinnerte er ihn stark an Grandmas Hustensalbe . . .
    »Magd, bereite das Bett neben der Werkstatt für diesen jungen Mann.«
    »Ist das ein neuer Lehrling?«, wollte sie wissen. Ihre Verärgerung war nicht zu überhören.
    »Betrachte ihn als solchen. Aber zuerst servierst du uns das Abendessen vor dem Kamin, wir sind vollkommen durchgefroren. Und bringe mir eine Bandage für meinen Arm, bevor er zu sehr anschwillt.« Yser ging mit der Magd zur Treppe und erzählte von der üblen Begegnung auf dem Friedhof und dass sie ohne Sam . . . und so weiter.
    »Hier entlang, mein Junge. Ich werde Euch Euer Nest zeigen. Es ist zwar nicht groß, aber immer noch besser, als auf der Straße zu nächtigen.«
    Er ging ihm voraus durch den Flur bis zu einer Tür, über der ein Wappenschild hing. Er zeigte drei Männer, die

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