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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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das lieber ist. Er ist wegen des Überfalls gestern hier. Macht, dass Ihr auf Euer Zimmer kommt, damit er Euch nicht sieht!«
    Doch Baltus musste etwas gehört haben, denn er rief au dem Salon: »Magd? Ist der junge Mann zurück?«
    »Gerade in diesem Augenblick, Herr.« »Fein! Bring ihn her, ich möchte ihn dem Écoutète vorstellen.«
    Die Magd fügte sich widerwillig. Kurz darauf wurde Sam einer – der goldbestickten Jacke und dem kunstvoll gestutzten Bart nach zu urteilen – höchst wichtigen Persönlichkeit vorgestellt. Und von ihr mit scharfem Blick gemustert.
    »Das ist also der Junge, der Euch gerettet hat, Meister Baltus?«, fragte er mit dröhnender Stimme.
    »Wenn er nicht wie durch ein Wunder aufgetaucht wäre, so würde ich jetzt nicht hier vor Euch stehen, gnädiger Herr!«
    »Wie durch ein Wunder, so, so!«, wiederholte der Vogt mit einem seltsamen Lächeln. »Und was führte Euch auf den Friedhof beim Alten Wald, junger Mann?«
    »Ich besuchte das Grab meiner Tante, Marga Waagen.«
    »Ah, die alte Marga! Kurz vor ihrem Tod habe ich noch auf dem Fischmarkt mit ihr gesprochen. Sie war auf einem Ohr taub und hatte die Hälfte ihrer Zähne verloren, wusstet Ihr das?«
    Samuel witterte die Falle.
    »Leider kenne ich sie nur dem Namen nach. Sie war eine Verwandte meines Vaters, und ich hatte sie nie gesehen. Ich bin jetzt Waise und wollte in Brügge mein Glück versuchen.«
    »Waise, wie praktisch«, bemerkte der Vogt. »Wie auch immer, mir scheint, Ihr seid gerade im rechten Moment gekommen! Diese Räuber, alle Achtung, welcher Wagemut! Kennt Ihr die Geschichte vom Müller Martens, Hans?« Der alte Mann schüttelte den Kopf.
    »Es ist acht oder neun Monate her, wenn ich mich recht erinnere. Stellt Euch vor, Martens ist ein ähnliches Unglück widerfahren wie Euch. Eines Abends, als er von seiner Mühle kommt, wird er von Wegelagerern überfallen. Durch einen glücklichen Zufall kommt gerade in dem Moment ein Reisender des Weges, dem es gelingt, die Räuber in die Flucht zu schlagen. Natürlich ist ihm unser Martens unendlich dankbar und will sich ihm erkenntlich zeigen, nimmt ihn in sein Haus auf, und im Laufe des Gesprächs werden die beiden beste Freunde. Nun, ob Ihr mir glaubt oder nicht, Hans, drei Tage später hat unser Müller kaum das Haus verlassen, als sein sogenannter Retter den Wegelagerern die Mühle öffnet und sie diese vollständig ausrauben!«
    Er warf Sam einen eingehenden Blick zu.
    »Ja, man kann heutzutage wirklich niemandem mehr vertrauen!«
    Baltus schien die Anspielung entgangen zu sein. Er bot seinem Gast ein Glas von seinem deutschen Wein an, was dieser jedoch ablehnte: »Vielen Dank, Hans, aber ich wollte nur kurz bei Euch vorbeischauen und bei der Gelegenheit Eurer Tochter dieses bescheidene Geschenk von mir überreichen. Ich hätte es ihr gern selbst gegeben, aber...«
    »Wie ich schon sagte, sie ist zu Besuch bei ihrer Cousine. Doch sie müsste jeden Augenblick zurück sein.«
    »Leider erwartet mich der Graf, um die Festlichkeiten heute Abend zu regeln. Richtet doch bitte Fräulein Yser meine untertänigsten Grüße aus, und sie möchte mich bitte wissen lassen, wie ihr mein Geschenk gefallen hat.«
    Er erhob sich, schlug militärisch die Hacken zusammen und verabschiedete sich von Baltus. Sam übersah er geflissentlich.
    »Ein rechtschaffener Mann, der Vogt«, schwärmte Baltus, nachdem der andere gegangen war. »Er gäbe einen ausgezeichneten Ehemann für Yser ab.«
    »Ehemann?« Sam verschluckte sich fast. »Aber er ist mindestens doppelt so alt wie sie!«
    »Natürlich, warum auch nicht? Er ist seit drei Jahren Witwer, er ist wohlhabend, besitzt eine schöne Wohnung im Prinsenhof, dem neuen Palais, das Graf Philippe sich in der Stadt bauen ließ, was will man mehr? Yser ist siebzehn, ein Alter, in dem sie langsam an ihre Zukunft denken sollte. Wie ich Euch gesagt habe, meine Geschäfte stehen nicht zum Besten, und ich fürchte, auf das Geld vom Wettbewerb darf ich nicht mehr hoffen: Mein verletztes Handgelenk erlaubt mir nicht mehr, den Pinsel zu halten. Diese Verbindung würde ihr ein sicheres, annehmliches Leben bescheren, sie müsste sich um nichts mehr sorgen.«
    »Aber sie, ist sie damit einverstanden?«
    »Der Vogt ist doch noch ein recht ansehnlicher Mann, findet Ihr nicht? Und noch dazu sehr aufmerksam. Seht nur, was er mit seinen eigenen Händen für sie gemacht hat!«
    Er wies auf einen schmiedeeisernen Kerzenleuchter, der mehr oder weniger die Form eines

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