Die Steinernen Drachen (German Edition)
schuldig und nippte an ihrem Kaffee. Dann stellte sie die Tasse ab, stand auf und schlenderte durch sein spartanisch eingerichtetes Appartement. Er ging ihr hinterher. Melanie sah sich ausgiebig und ungeniert um.
„Kennst du Ilka Schoeberg?“, fragte er einer plötzlichen Eingebung folgend. Zuerst schüttelte sie den Kopf, dann hielt sie inne. „Ziemlich groß, blonde Locken?“, fragte sie. Frank nickte.
„Ich habe sie nur einmal bei meiner Schwester gesehen. Warum willst du das wissen?“
„Woher kennt sie deine Schwester?“
„Keine Ahnung! Hast du ein Auge auf sie geworfen?“, hakte sie nach und schritt dabei vom Wohn- ins Schlafzimmer. Dort umrundete sie das Bett und sah aus dem Fenster.
„Nein. Nicht, was du mir schon wieder unterstellen willst.“
„So, was will ich dir denn unterstellen? Dass du ein Schürzenjäger bist, der keinen Rock auslässt? Nun, ich denke tatsächlich so über dich, allerdings stört es mich nicht. Ich mag dich so, wie du bist.“ Sie durchquerte den Raum, stellte sich direkt vor ihn und sah zu ihm hoch. Am liebsten hätte er einen Schritt zurück gemacht, hatte aber bereits die Wand im Rücken. Melanie legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich hinab. Ein betörender Duft stieg ihm in die Nase und er resignierte vor
den tiefen blauen Augen.
Sie war ungeahnt leidenschaftlich und geizte nicht mit körperlichen Reizen. Lange, nachdem sie gegangen war, musste er sich eingestehen, dass ihm der Sex mit Melanie gut getan hatte. Für zwei Stunden hatte er die Aufregung der letzten Tage vergessen. Keine Bilder von Drachen, toten Chinesen, Strangulierten, halb erschlagenen Tätowierern und Asiaten in schwarzen Anzügen waren durch seinen Kopf geschwirrt. Es hatte nur diese hemmungslose Lust und Begierde, diesen vollschlanken Frauenkörper zwischen seinen Fingern gegeben. Alles andere war vergessen, selbst die Hitze. Auch wenn er hinterher das Bett neu beziehen musste, weil es vom Schweiß durchtränkt war, hatten ihm 50 Grad im Schlafzimmer eine Weile nichts ausgemacht.
Erst als sie sich verabschiedet hatte, fiel ihm ein, dass sie sicherlich noch nicht wusste, was ihrem Bruder, Stefan Kreutzmann, zugestoßen war und dass er nicht mehr lebte. Mit dieser Erkenntnis kam auch alles andere zurück und die Schrecken der vergangenen Woche hingen wieder wie übermächtige Gewitterwolken über ihm. Nebenbei und nicht zu unrecht, beschäftigte ihn der Gedanke, was Melanie bewogen hatte, ihn so angenehm zu überfallen. Wollte sie ihn wirklich nur zügellos verführen oder steckte mehr dahinter? Er konnte nicht glauben, dass sie ihn nur aufgesucht hatte, weil sie geil auf ihn gewesen war. Dafür kannte er die Frauen zu gut. Warum bin ich so misstrauisch?
Etwas ärgerte er sich darüber, dass er nicht unnachgiebiger
war, als er das Gespräch auf Ilka gebracht hatte. Wusste Melanie wirklich nichts über das Verhältnis ihrer Schwester zu der Schoeberg? Oder hatte sie ihm etwas verschwiegen und ihn schnell mit ihrer körperlichen Annäherung davon abgelenkt, weiter nachzuhaken? Er nahm sich vor, dies beim nächsten Treffen nicht unausgesprochen zu lassen. Ilka, Bettina und der Asiat? Wie ging das zusammen und hatte es etwas mit Leas Verschwinden zu tun? Ehe er sich versah, war er wieder mitten in seinem Fall. Frank Grabenstein, Maler, Barkeeper und neuerdings Privatdetektiv.
Doch zunächst ging er unter die Dusche. Jedes Mal, nachdem er mit einer Frau geschlafen hatte und sich ihren erregenden Geruch unter dem heißen Wasserstrahl vom Körper wusch, überkam ihn eine innige und rührende Melancholie. Er trennte sich von ihrem Schweiß und ihren Körpersäften und es war ihm, als wüsche er damit einen Teil seiner Seele ab. Als würde er etwas Tiefes und Verbindliches verlieren, was unwiderruflich in den Abfluss strudelte. Omne animal triste post coitum , nach dem Akt ist das
Tier traurig!
Die letzte Prinzessin
4. Juli 2003
Der Fernseher lief die halbe Nacht, ohne dass er am Morgen wusste, was er gesehen hatte. Er fühlte sich gerädert und hatte Kopfschmerzen. Gestern Abend hatte er zwei Mal vergebens versucht Kham zu erreichen.
Das Frühstück fiel aus, da nur noch pulverisierte Reste von Cornflakes im Haus waren. Widerwillig fuhr er zum nächstgelegenen Supermarkt. Der Parkplatz war voll und er fand mit Mühe eine Lücke in der hintersten Ecke. Die Digitalanzeige an der Stirnseite des Gebäudes zeigte ihm, dass es kurz nach zehn war. Ein warmer Wind streichelte
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