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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Sie heute beobachtet. Seit zwei Stunden starren Sie auf dieselbe Seite in Ihrem Buch, die Sie wahrscheinlich schon auswendig kennen, nur weil Sie sonst nichts zu tun haben, und dabei haben Sie ein ganz vergrämtes Gesicht, weil Sie verzweifelt überlegen, woher Sie Geld nehmen, um Ihrer kleinen Tochter heute abend etwas zu essen zu kaufen. Stimmt’s?«
    Mary nickte. Bartholomew lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück.
    »Ganz zu schweigen davon, daß ich wissen möchte, wann Sie selbst zuletzt etwas gegessen haben. Sie gefallen mir gar nicht mehr. Ihr Mann wird Sie nicht wiedererkennen, wenn er aus dem Gefängnis kommt. Nein, von morgen an suchen Sie sich etwas anderes!«
    »Und was wird aus Ihnen?«
    »Das ist nicht Ihre Sorge. Und außerdem bin ich gut aufgehoben. Die Hauswirtin wird bis an mein seliges Ende für mich dasein. Früher war sie hinter mir her wie der Teufel hinter der armen Seele, aber da hab’ ich’s nicht nötig gehabt. Aber sehen Sie, Mary, Ausdauer wird belohnt!« Er kicherte ironisch. »Jetzt kriegt sie mich. Und bald werde ich halbtot vor ihr liegen, mich nicht rühren können, und sie wird mich waschen und füttern, und um jeden Liebesdienst werde ich mit den Augen betteln, weil meine Stimme keine Kraft mehr hat. Ach, das Leben kann so rachsüchtig sein!«
    Mary hatte schweigend zugehört. »Was wird aus mir?« fragte sie.
    Bartholomew machte eine ungeduldige Handbewegung.
    »Was aus Ihnen wird? Das fragen Sie mich? Ihnen fällt schon etwas ein. Wie alt sind Sie?«

    »Ich bin gerade dreiundzwanzig geworden. «
    »Alt genug, um zu wissen, was man will, und jung genug, um es auch durchzusetzen. Sie machen Ihren Weg, Mary.«
    Ja, dachte Mary bitter, während sie durch die Stadt lief, natürlich! Mir fällt nur im Moment keiner ein.
    Sie hob den gesenkten Kopf, riß sich aus ihren tiefen Gedanken und betrachtete Menschen und Bilder um sich. Ein kleiner Junge mit einem Stapel Flugblätter schrie die Neuigkeiten des Tages in die Gegend.
    »Bischof Barnes verhaftet!« brüllte er. »Lutheraner von London erschüttert! Gewinnt Norfolk die Macht am Hofe?«
    »Kann ich eines von den Blättern haben?« fragte Mary.
    Der Junge reichte es ihr.
    »Zwei Pence, Madame.«
    Mary biß sich auf die Lippen, dann kramte sie das Geld aus ihrer Tasche. Nun würde sie eben heute abend nichts essen können. Aber es war wichtiger, zu wissen, was im Land vorging.
    Rasch überflog sie die schlechtgedruckten Zeilen. Der lutherische Bischof Barnes hatte, angestiftet von Cromwell, von den Kanzeln der Londoner Kirchen wilde Hetzreden gegen den Papst geführt, was eindeutig darauf abzielte, die katholische Partei Norfolks, der in der letzten Zeit erheblich an Einfluß gewonnen hatte, zu schwächen und eine Annäherung des Königs an Papst und Habsburg zu verhindern. Nun hatte der König Barnes in den Tower werfen lassen und damit war die Verwirrung wieder einmal vollkommen.
    Der Verfasser des Flugblattes fragte zynisch:
    »Man stelle sich vor, acht Jahre, nachdem Seine Majestät einen Krieg mit halb Europa riskiert hat, um Katharina von Aragon loszuwerden und sich zum Oberhaupt der englischen Staatskirche zu machen, da will er ein trautes Bündnis mit Habsburg, Frankreich und dem Vatikan eingehen, um sich wieder einmal mit heiler Haut aus einer gefährlichen Lage zu ziehen! Aber was bleibt auch anderes übrig! Sein Schwager, der Herzog von Kleve, will ein Heer von ihm, um sich, den Lutheraner, vor dem Kaiser zu schützen. Gewährt ihm der König diese verwandtschaftliche Hilfe, so liegt er seinerseits im
Krieg mit Habsburg, und das in einer Zeit, in der es England wirtschaftlich gar nicht gutgeht und es keine allzu harten Gefechte aushalten kann. Hingegen, sagt er sich von Kleve los, warten hübsche Versprechungen des Kaisers auf ihn: Freundschaft mit Habsburg und Frankreich, zudem Unterstützung bei der Unterwerfung Schottlands, wenn er dafür die Zerschlagung der protestantischen deutschen Fürsten durch den Kaiser toleriert. Wahrlich, eine prekäre Lage für unseren armen König! Ob es ein Anfang ist, daß er nun den lutherischen Bischof verhaften ließ, eine Annäherung an die katholische Kirche? Wie auch immer, ausreichen wird es nicht. Die ganze Angelegenheit läuft auf eine uralte Notwendigkeit hinaus: Cherchez la femme, Henry! Es geht mit dem Teufel zu, Eure Majestät haben schon wieder die falsche Frau geheiratet. Das Schicksal Europas hängt an Anna von Kleve!«
    Mary ließ das Blatt sinken. Anna von Kleve,

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