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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Zweifellos würde Jane einmal eine sehr schöne Frau sein, was, so hoffte Mary, ihre zahlreichen Charakterfehler vielleicht ausgleichen würde. Sie machte sich nichts vor. Jane war völlig verzogen, launisch und unleidlich, ihr Gesicht zeigte den bockigen, quengeligen Ausdruck eines Kindes, das sich zu oft langweilt. Mary wußte, daß sie sie viel zuviel allein gelassen hatte, und in den ersten drei Jahren hatte sie versucht, das dadurch auszugleichen, daß sie ihr in allem nachgab. In der letzten Zeit hatte sie gemerkt,
daß das ein Fehler gewesen war, und nun war sie oft sehr streng zu Jane und fuhr sie zornig an, wenn sie jammerte. Aber Jane dachte gar nicht daran, sich zu bessern. Auch jetzt verzog sie schon wieder den Mund.
    »Warum gehst du weg?« fragte sie weinerlich. »Ich will, daß du dableibst!«
    »Ich muß weg. Aber ich bin bald zurück. Und Will ist ja da.«
    »Will ist alt und häßlich! Ich will, daß du dableibst!«
    Jane stampfte auf den Boden.
    Mary hielt sie an den Schultern fest.
    »Ich möchte nicht, daß du je wieder so böse über Will sprichst«, sagte sie streng, »ich weiß nicht, was ich in den letzten Jahren ohne ihn gemacht hätte. Du wirst dich jetzt zusammennehmen!«
    Jane verzog sich schluchzend in eine Ecke. Mary hängte sich ihren schwarzen, abgenutzten Mantel um die Schultern und verließ eilig das Haus.
    Draußen fröstelte sie. Ein kalter Ostwind wehte und dichter Nebel hing über der Stadt. Mary fühlte sich elend. Sie hatte heute noch nichts gegessen und ihr Mantel war viel zu dünn. Trotz ihres festen Entschlusses, kein Geld unnötig auszugeben, kaufte sie einer Bäckerfrau ein Stück fetten Kuchen ab und verschlang es gierig mitten auf der Straße. Im ersten Moment schien ihr Magen aufbegehren zu wollen, aber dann breitete sich ein angenehmes Gefühl in ihrem ganzen Körper aus. Ihre Nerven beruhigten sich, sie merkte, wie ihr wärmer wurde. Mit erhobenem Kopf ging sie weiter.
    Als sie Lady Cathleens Haus erreichte, blieb sie stehen. Sie betrachtete die hellen Backsteine, die blaßroten Ziegeln und die vielen Fenster mit den schweren samtenen Vorhängen dahinter. Das Haus war nie anheimelnd gewesen, aber in seiner protzigen Größe hatte es Mary immer eine schwärmerische Sehnsucht abgerungen. Es strahlte Sicherheit, Reichtum, Unabhängigkeit, aber auch eine abweisende Kälte aus. Mary war entschlossen, sich davon nicht einschüchtern zu lassen. Sie atmete tief, dann ergriff sie den eisernen Türklopfer in Form eines Wolfskopfes und schlug ihn kräftig gegen das Eichenholz der Pforte.

     
    Lady Cathleen und Anne Brisbane saßen in einem warmen Salon vor dem Kamin und stickten bunte Seidenfäden in blaßgelbe Leinendecken, wobei sie sich leise unterhielten. Sie blickten auf, als das Dienstmädchen eintrat.
    »Was gibt es, Lynette?«
    »Besuch für Mylady. Eine Mrs. de Maurois.«
    »Mrs. de Maurois?« fragte Cathleen. »Wer kann das sein? Ich kenne...«
    Annes Augen begannen zu funkeln.
    »Maurois? Mylady, ich weiß, wer das ist. Mary Askew!«
    »Oh, richtig! Was kann sie denn wollen?«
    »Ich weiß es nicht. Herrgott«, Anne stand auf und warf ihr Deckchen auf einen Tisch, »wieso nur taucht diese Person immer wieder auf? Jahrelang hat man seine Ruhe und plötzlich... es ist gut, Lynette, sie soll hereinkommen.«
    »Ja, Madam.« Lynette verschwand.
    Anne kniff die Lippen zusammen.
    »Was hat diese Hexe vor? Irgend etwas muß sein, daß sie nach fast fünf Jahren... Cathleen, Sie halten sich zurück. Ich werde mit ihr sprechen.«
    »Ja, Anne, aber...« Cathleen brach ab, denn soeben kehrte Lynette zurück.
    »Mrs. de Maurois«, sagte sie, und Mary trat an ihr vorbei ins Zimmer. Sie sah sich kühl um, dann nickte sie den beiden Frauen zu.
    »Guten Tag, Mylady. Madam!«
    »Guten Tag, Mrs. de Maurois«, murmelte Cathleen, während Anne geschäftig fragte:
    »Was führt Sie zu uns?«
    Mary betrachtete sie. Sie überlegte, was sie als Kind so sehr an dieser Frau fasziniert hatte. Vielleicht war sie leichter beeindruckbar gewesen, aber natürlich war Anne auch älter geworden. Aus ihren Zügen sprachen Strenge und Unnachgiebigkeit, ihre Augen kniff sie wegen ihrer Kurzsichtigkeit stets leicht zusammen, was sie etwas angriffslustig wirken ließ, auf ihrer Stirn verliefen zwei scharfe Falten. Sie trug ein hochgeschlossenes dunkles Kleid, das immerhin ihre reine, weiße Haut gut zur Geltung brachte.

    Cathleen hatte sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, sie sah nur noch

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