Die Sternenkrone
Pflanze daran dreht sich zur Seite. Die Lippen bewegen sich stumm.
Dann regt sich Kevin erneut, und zu George und Junes Erstaunen dringt eine Stimme aus seinem Mund.
»Du bist George«, sagt er schwach. »Und da ist June. Ich bin Kevin. Hallo.« Er starrt sie mit offenen Augen an.
»Mach langsam, Kevin«, bringt George mühsam hervor. »Du hattest einen sehr schweren Unfall.«
»Ja.« Eine Pause. Dann sagt Kevin mit etwas festerer Stimme: »Ich glaube, mit mir ist alles wieder in Ordnung. Hoppla, ich kann ja eure Gedanken lesen! Moment, wartet mal ...«
Die beiden spüren plötzlich die Gegenwart eines fremden Bewußtseins in ihrem Kopf. George empfindet sie als viel ungestümer und stärker als die federleichte Berührung, die er einige Male davor gespürt hat. Ein neuer Telepath, der seine frischentdeckten Fähigkeiten ausprobieren will? Das muß Kevin sein, der gerade von seinem Parasiten lernt. Die Übermittlung funktioniert also gegenseitig.
Kevin runzelt die Stirn. »Ich bin Kevin, aber da ist noch jemand. Was ist das? Wer ist in meinem Kopf?«
Sein Mund verzerrt sich, und er antwortet sich selbst mit einer unsicheren knarrenden Stimme, die sich von seiner eigenen unterscheidet: »Ich ... habe ... keinen Namen ... noch nicht. Ich bin jetzt ... bei dir. Du wirst ... nicht sterben. Du wirst mir ... einen Namen geben. Wenn du bereit bist. Ich gehöre zu ... deinem Körper.«
»Kevin?« fragt June voller Angst. »Bist du noch da? Wie geht es dir?«
»Ich bin hier«, sagt Kevin mit seiner üblichen Stimme. Er bewegt sich und kämpft sich zu einer sitzenden Position hoch. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt.
»Sei vorsichtig.«
»Mir geht es ganz gut. Nur der Kopf tut mir scheußlich weh. Hallo, Telepath, Symbiot oder was immer du bist – hast du nichts gegen meine Kopfschmerzen? Es tut schrecklich weh.«
»Doch.« Wieder dringt die eigenartige Stimme aus Kevins Mund. »Und ... es ist unser Kopf, solange ich bei dir bin. Ich bin dabei, die Verletzung zu heilen. Jetzt ... versuche ich, den Schmerz zu stillen.« Die Sprache des Parasiten wird deutlicher, klarer.
Einige Augenblicke lang passiert nichts. Dann entspannt sich Kevins Gesicht. Sein Mund verzieht sich zu einem freudigen Grinsen. »Wunderbar! Danke ... Ist sonst mit mir alles in Ordnung?« Er bewegt Arme, Beine, Hände und Füße, hebt einen Arm hoch, als wollte er seinen Kopf betasten. »Nein? Zu früh?« fragt er und antwortet sich selbst: »Warte besser ... noch ab.«
»Wie du meinst.« Das ist wieder Kevins Stimme. »Es scheint ja alles noch an mir dran zu sein. Mein Kopf hat wohl das meiste abgekriegt.« Er dreht sich zu George und June. Das fremde pflanzliche Gewebe baumelt entleert hinter seinem Ohr.
»Was ist mit euch beiden los? Ihr schaut ja ganz perplex aus der Wäsche.« Das klingt wieder so sehr nach dem früheren, zum Scherzen aufgelegten Kevin, daß George und June nur voller Staunen den Kopf schütteln können.
»Du warst tot.« June deutet auf den Pflanzenstengel, der sich nun langsam wieder aufrichtet. Die Blattknospen sind geöffnet und hängen schlaff herab. »Diese große Pflanze hat dich wieder zum Leben erweckt. Vielmehr, etwas, das in dieser Pflanze wohnte. Es befindet sich nun in dir.«
»Und seine telepathischen Kräfte auch«, setzt George hinzu.
»Mhm. Was hast du nun für Pläne mit uns, Freund Pflanze? Oder soll ich besser sagen, Ex-Pflanze? Willst du ganz von mir Besitz ergreifen?«
»Ich glaube nicht ...«, erwidert die fremde Stimme zögernd. »Ich bin noch sehr jung. Ich merkte, daß ich dir helfen konnte und dadurch gleichzeitig die Möglichkeit bekam, zu sprechen, mich frei zu bewegen und zu sehen. Ich werde erst einmal bei dir bleiben, soviel scheint mir sicher.«
»Würdest du auch einen anderen Körper benutzen, wenn wir einen finden würden, der dir gefällt?«
»Ja. Irgendwo, glaube ich, existieren auch die genau passenden Körper für uns. Aber das wissen nur die weisen Älteren. Ich plante eigentlich, mit dir zu ihnen zu gehen und sie zu befragen. Dann hattest du diesen Unfall ...«
Die Erklärung dauert eine Zeitlang. Als am Ende alle beipflichten, daß es das Klügste wäre, die weisen Älteren aufzusuchen, hat Kevin plötzlich eine Idee.
»Sag mal, Freund Telepath, gibt es in der Nähe noch weitere deiner Art?“
»Nur meinen Nachbarn und Gefährten, oben am Bach. Ihr habt vielleicht seinen Tümpel gesehen.«
»In unserem Raumschiff haben wir ... noch einen Körper«, sagt Kevin aufgeregt.
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