Die Sternseherin
erscheinen, doch der Moment war rasch vorüber und sie wurde wieder zur kühlen Vampirin, die ihre Gefühle zweifellos im Griff hatte. »Was gedenkst du zu tun?«
»Ich kann gar nichts unternehmen.«
»Unfug, du ...«, sie stoppte mitten im Satz und ein wissender Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Du könntest ihn unterstützen«, schlug sie nach einigem Überlegen vor. »Kann ich irgendwie helfen, braucht er Leute?«
»Wenn du uns einen Moment entschuldigst?« Asher nahm Estelle, die dem Gespräch aufmerksam gelauscht hatte, zur Seite. Es sprach ganz leise. »Ich muss mich unbedingt um Julen kümmern, das Auftauchen seines Bruders zu diesem Zeitpunkt beunruhigt mich.«
»Hätte ich nur nichts gesagt, aber ich war so überrascht!«
»Du darfst dir keine Vorwürfe machen, mein Stern. Wie solltest du wissen, dass dies nicht einer seiner Streiche war? Aber ich brauche deine Hilfe. Sara ist in großer Gefahr. Ich fürchte, Urian wird versuchen, sie zum Schweigen zu bringen.«
»Deshalb der Überfall. Es klingt logisch, dass er sich lieber seiner ›Gefolgschaft‹ bedient, als selbst in Erscheinung zu treten. Aber was hat das mit mir zu tun?« Sie sah ihn an. »Ich weiß, was du sagen willst! Glaub bloß nicht, dass du mich noch einmal einfach so in Selenas Schlafzimmer abstellen kannst. Es wäre sowieso ziemlich peinlich geworden, hätte ich an ihrer Stelle ihren Freund Erik angetroffen. Womöglich hätte er uns verwechselt!« Tief aus Ashers Brust stieg ein dunkles Grollen auf und Estelle verkniff sich ihr Lächeln. Sollte er nur eifersüchtig sein, wenn es ihren Zwecken dienlich war. »Ich gehe auf keinen Fall zu meiner Schwester und – Kieran!« Es war deutlich, dass sie einen anderen Namen für ihn in Erwägung gezogen hatte.
»Das musst du auch gar nicht. Ihr bleibt hier.«
»In diesem Pub? Ich würde viel lieber mit ihr nach Hause zu Manon. Dir ist wohl entgangen, dass da draußen ein gutes Dutzend Vampire sitzt und Sara keine Ahnung hat, wer oder was sie ist. Das Blut in ihren Adern singt geradezu von ihrer Feenherkunft. Es duftet ungewöhnlich«, Estelle schluckte, »und ziemlich verführerisch.«
»Du kannst es riechen?« Asher, dem Saras Abstammung von Anfang an kein Geheimnis gewesen war, sah sie nachdenklich an. Dann schien er eine Entscheidung getroffen zu haben und sagte: »Wir sollten Manon nicht auch noch mit hineinziehen. Hier seid ihr beide sicher und um Nell brauchst du dir überhaupt keine Gedanken zu machen.«
Nells Umgang mit ihm war für Estelles Geschmack viel zu vertraulich. »Was macht dich da so sicher?«, fragte sie spitz.
»Sie ist die Statthalterin von London.«
»Etwa in der Art wie der grimmige George in Dublin? Das klingt nicht gerade vertrauenerweckend.« Estelle erinnerte sich noch gut an ihre Begegnung mit dem unheimlichen Vampir.
»Keine Sorge, die beiden kann man nicht vergleichen. Doch du hast natürlich recht. Verlass dich immer auf deine Instinkte, in der Nähe von Vampiren ist niemand wirklich sicher.«
»Auch in deiner nicht?«
»Speziell in meiner!«
Ein Räuspern holte sie zurück in die Gegenwart.
»Also?« Nell sah die beiden aus schmalen Augen an. Mit ihrer vampirischen Natur hätte sie eigentlich in der Lage sein müssen, das Gespräch mühelos zu verfolgen. Doch Asher hatte sie irgendwie ausgetrickst und das gefiel ihr gar nicht.
Estelle konnte ihre Missbilligung nahezu greifen. Wahrscheinlich ahnte er nicht einmal, wie besitzergreifend die Wirtin ihn musterte. Zumindest gab er vor, nichts zu bemerken. »Ich könnte Julen natürlich beratend zur Seite stehen. Dafür müsste ich allerdings ein paar Dinge in Erfahrung bringen.« Seine Stimme wurde tiefer. »In diesem Fall erbitte ich deine wohlbekannte Gastfreundschaft.«
Sie kannte seinen Charme, der immer dann zum Einsatz kam, wenn er etwas von ihr wollte, und schmunzelte wider Willen. »Gewährt! Allerdings ...«, begann sie und schaute zu Sara hinüber, die immer noch schlief und von der ganzen Diskussion nichts mitbekam.
Asher verstand, dass eine ahnungslose Sterbliche die Sicherheit aller Vampire hier gefährden konnte. Er beeilte sich zu versichern: »Estelle wird sich um sie kümmern. Wir brauchen ein sicheres Zimmer für Sara und, nun ja, ich hätte auch nichts gegen ein bequemes Tagesbett.« Das strahlende Lächeln galt ausschließlich seiner – und was das betraf, schien er keinen Zweifel zu hegen – zukünftigen Gastgeberin.
Neben diesem irritierenden Selbstbewusstsein entdeckte
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