Die stillen Wasser des Todes - Roman
überschreibt?«
»Aber nein! Und selbst wenn ich es verlangt hätte – ich habe es ihr in der Scheidungsvereinbarung überlassen, frei von Hypotheken und Belastungen. Rechtlich hätte ich überhaupt keinen Anspruch gehabt.«
Freddie klang so sicher, dass Kincaid sich fragte, ob er mit dem Gedanken gespielt hatte, das Cottage von ihr zurückzuverlangen, und den Plan dann verworfen hatte.
Zugunsten eines Mordplans?
Aber dazu hätte Freddie wissen müssen, dass Becca ihr Testament nicht geändert hatte, und nach allem, was Kincaid über Rebecca Meredith wusste, hielt er es für äußerst unwahrscheinlich, dass sie irgendjemandem solche Details anvertraut hatte. Natürlich könnte Freddie auch einfach darauf gesetzt haben, dass Becca auf keinen Fall ihrer Mutter irgendetwas überlassen wollte – und dass sie nicht etwa ein Heim für ausgesetzte Katzen mit einer großzügigen Summe bedacht hatte, durfte er wohl voraussetzen.
Kincaid betrachtete den Mann, der vor ihm saß – unter Schock, erschöpft, voller Befürchtungen. Er hatte schon Mörder gesehen, die all dies gewesen waren; es war also vorstellbar, dass Freddie Atterton seine Exfrau ermordet hatte und gleichwohl diese Emotionen nicht vortäuschte.
Aber Kincaid konnte es nicht so recht glauben. Zu vieles passte da nicht zusammen, und wenn Freddie ein überzeugendes Alibi für den gestrigen Abend hatte, dann würde daraus folgen, dass der Überfall auf Connolly nichts mit dem Mord an Rebecca Meredith zu tun hatte. Und das, so fand er, wäre doch ein allzu unwahrscheinlicher Zufall.
Als das Team der Spurensicherung eintraf, überließ er es Doug, das Einsammeln von Beweismitteln und das Abschleppen von Freddies Audi zu überwachen. Er selbst entschuldigte sich, und nachdem er ein stilles Plätzchen im Hof der alten Brauerei gefunden hatte, rief er Detective Constable Imogen Bell zurück.
»Sir«, sagte sie, »ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens. Tut mir leid, wenn ich vorhin ein bisschen kurz angebunden war. DC Bell, haben Sie eine Ausbildung in Opferschutz?«
»Nur die Grundlagen. Ganz schön anspruchsvoll, fand ich.«
»Ja, das ist es bisweilen. Also, was würden Sie davon halten, zur Abwechslung mal ein wenig Händchen zu halten und Tee zu kochen?«
Es war einen Moment still. Dann erwiderte Bell mit einem Anflug von Erheiterung in der Stimme: »Ich will doch hoffen, dass bei diesem Auftrag mein Geschlecht keine Rolle spielt, Sir.«
Kincaid grinste. »Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Mann ganz genauso gut Tee kochen und Händchen halten kann wie eine Frau, wenn nicht gar besser. Aber in diesem speziellen Fall muss ich zugeben, dass ich finde, Ihr Geschlecht könnte für uns ein Vorteil sein.«
Ihm war eingefallen, dass Imogen Bell ihn an die Fotos einer jüngeren Rebecca Meredith erinnerte, die er gesehen hatte. Und wenn Meredith bei der Partnerwahl immer den gleichen Typ bevorzugt hatte, würde es sich lohnen herauszufinden, ob das Gleiche auch für ihren Exmann galt.
Freddie Atterton wies alle Symptome eines Mannes auf, der sich dringend irgendjemandem anvertrauen musste. Ihm so jemanden zur Verfügung zu stellen, war das Mindeste, was Kincaid tun konnte.
Wenige Minuten nachdem Imogen Bell Freddie Attertons Wohnung betreten hatte, kam Doug Cullen heraus. »Also, die wird ihn bald wieder auf die Reihe bringen«, sagte er zu Kincaid, der unten im Hof geblieben war, um Anrufe zu beantworten. »Und dabei möchte ich ihr lieber nicht im Weg sein. Meinen Sie, er wird ihr irgendetwas erzählen?«
»Möglich wäre es durchaus«, antwortete Kincaid unverbindlich.
Doug betrachtete ihn eine Weile. »Sie glauben nicht, dass er es war, oder?«
Anstelle einer Antwort deutete Kincaid auf das Hotel du Vin auf der anderen Straßenseite. »Kommen Sie, lassen Sie uns was essen gehen. Ich bin schon halb verhungert.« Das du Vin gehörte zu einer Kette kleiner, feiner Hotels, und man konnte dort angeblich gut essen.
»Fantastische Idee«, stimmte Doug zu. »Mir knurrt der Magen, seit ich den Ruderern im Leander zugeschaut habe, wie sie ihre Berge von Eiern und Baked Beans in sich reingeschaufelt haben.« Doug steuerte voller Eifer auf das Hotel zu, und bald darauf saßen sie auf Ledersofas in der trendy eingerichteten Bar.
Sie bestellten beide das Tagesgericht, eine Pastete mit geräuchertem Schellfisch und Gemüse in cremiger Cheddarsauce; dazu bestellte Kincaid Tee anstelle des Biers, das er eigentlich bevorzugt hätte. Er brauchte einen
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