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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Raus mit der Sprache.« Er fing Gemmas fragenden Blick auf und zuckte ratlos mit den Achseln.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte Bell. »Ich wollte nicht neugierig sein.« Sie klang jetzt noch verlegener. »Es ist nur so, dass – ähm, ich habe hier ein kleines Problem. Wie es aussieht, habe ich … also, offenbar habe ich Freddie Atterton verloren.«

19
    Der Tag des Rennens rückt unerbittlich näher, und das vorherrschende Gefühl bei dem, der zum ersten Mal dabei ist, ist nicht etwa Vorfreude oder gar Euphorie, sondern Angst – nicht vor dem bevorstehenden Wettkampf, sondern davor, das Gesicht zu verlieren, Angst davor, unter Stress nicht richtig zu funktionieren, trotz der endlosen Monate des Trainings. Die Angst, die Teamkameraden zu enttäuschen, die Freunde, die Familie und die ganze verdammte Tradition dieses eineinhalb Jahrhunderte alten Ruderrennens zwischen Oxford und Cambridge.
    Daniel Topolski, Boat Race: The Oxford Revival
    »Sagen Sie mir genau, was passiert ist«, forderte er sie auf.
    Bell zögerte. »Alles?«
    »Ja, alles.« Er bemühte sich, seine Ungeduld im Zaum zu halten. »Die Entscheidung, was wichtig ist und was nicht, können Sie ruhig mir überlassen, okay?«
    »Okay«, wiederholte Bell, immer noch ein wenig unsicher. »Also, nachdem ich heute Nachmittag mit Ihnen telefoniert hatte, habe ich aus den Resten im Kühlschrank ein Mittagessen zubereitet. Ich dachte mir, er sollte etwas in den Magen bekommen, nicht wahr?« Die Frage war offenbar rhetorisch, denn sie fuhr fort: »Und dann – na ja, da offenbar niemand sonst das übernehmen konnte, bin ich mit Fred – Mr. Atterton – zum Beerdigungsinstitut gegangen. Ich habe ihm geholfen, das Wichtigste zu regeln. Es war – Es war … schlimm. Ich bin froh, dass ich das nicht jeden Tag machen muss.«
    »Durchaus verständlich«, versuchte Kincaid sie aufzumuntern. »Sie waren ihm sicher eine große Hilfe. Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Wir sind in die Wohnung zurückgegangen. Ich habe ihm mit dem Nachruf geholfen. Er musste so schnell wie möglich an die Times gehen. Und das war – Ich hatte gar nicht gewusst, was sie alles gemacht hat. Sie war ein ganz besonderer Mensch, oder?« Die Art, wie sie es sagte, klang ziemlich nach Heldenverehrung.
    »Das war sie«, stimmte Kincaid ihr zu. »Aber sie war auch nur ein Mensch, und ich fürchte, dass Freddie Atterton im Moment nicht gewillt ist, sich an ihre Fehler zu erinnern. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass sie welche hatte.«
    Während er sprach, beobachtete er Gemma, die aufgestanden war und leise die Teller und Tassen in die Spüle stellte und dabei seinem Anteil an dem Gespräch folgte.
    Auch Gemma konnte stur sein, dachte er, als er ihre Fehler zu katalogisieren versuchte. Impulsiv. Sie war oft ein wenig vorschnell mit ihrem Urteil, nahm kein Blatt vor den Mund, konnte sich schnell für Dinge und Menschen begeistern. Dafür zögerte sie umso länger, Verpflichtungen einzugehen, solange sie nicht wusste, ob sie sie auch einhalten konnte.
    Und er liebte sie über alles. Er hätte sie keinen Deut anders haben wollen.
    Ob Rebecca Meredith sich wohl gewünscht hatte, ebenso sehr für ihre Fehler wie für ihre Leistungen geliebt zu werden? – Und hatte sie zu spät erkannt, dass sie genau das gehabt und aufgegeben hatte?
    »Ja«, sagte Bell, doch sie klang nicht überzeugt. »Als wir damit fertig waren, war es Zeit fürs Abendessen, aber im Kühlschrank war nur noch saure Milch und etwas Bier. Ich sagte, ich würde einkaufen gehen. Er – Atterton – wirkte so … verloren. Er konnte noch nicht einmal einen Einkaufszettel schreiben, also bin ich … ich bin zu Sainsbury’s gegangen.« Bell hielt wieder inne.
    »Und?«, fragte Kincaid nach.
    »Als ich zurückkam, war er verschwunden.«
    »Einfach so verschwunden? Zu Fuß? Oder mit dem Auto? Sind Sie sicher, dass er nicht in der Wohnung war?«
    »Ich habe geklopft und geklingelt, dann habe ich ihn auf dem Handy und auf dem Festnetz zu erreichen versucht. Inzwischen machte ich mir ernsthaft Sorgen, also suchte ich den Hausverwalter auf und bat ihn, mich in die Wohnung zu lassen. Ich hatte Angst … Ich hatte Angst vor dem, was ich dort vorfinden würde. Aber er war nicht da. Alles war unverändert, kein Abschiedsbrief, nichts. Seine Autoschlüssel lagen noch auf der Ablage neben der Tür. Offenbar ist er einfach gegangen und nicht mehr zurückgekommen.«
    »Hatte er getrunken?«
    »Nein. Im Gegenteil, er hat sogar den

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