Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
umgehen, bog sie von der Küste ostwärts ab. Hinter ihr rüstete sich die Sonne bereits zum Untergang. Kein Mensch weit und breit. Es war, als wäre sie das einzige Lebewesen in dieser Gegend. Das machte sie ein wenig ängstlich.
    Als sie in der Ferne Rauch aufsteigen sah, hielten sich bei ihr Furcht und Hoffnung die Waage. Vorsichtshalber ließ sie Henrietta im Schritt gehen. Schließlich stieg sie ab, band die Stute an einem einzelnen Eibenbusch fest und schlich sich näher heran.
    Es war ein Lager. Sie sah mehrere Frauen und etwa sechs Männer. Die Frauen kochten das Abendessen. Die Männer räkelten sich auf der Erde. Waren es Zigeuner? Sie hatte noch nie welche gesehen. Dann kam ein großer, gutgekleideter Mann in ihr Blickfeld. Er war dick und wirkte recht vergnügt.
    Er sprach mit einem der anderen Männer, gab einer Frau einen Klaps hinten drauf und faßte ihr dann unter den Rock. Die Frau quietschte und lachte und rieb ihr Hinterteil an ihm.
    Daria zog sich zurück.
    Sie würde im Bogen um das Lager reiten. Sonst riskierte sie noch, daß man ihr etwas antat und sie festhielt, um Lösegeld zu erpressen. Sie war so viele Monate in Gefangenschaft gewesen und hatte keine Lust, noch einmal gefangen zu sein.
    Sie stand auf, um zu Henrietta zurückzugelangen. Als die Stute ihre Herrin erblickte, hob sie den Kopf und wieherte laut.
    »Sei still, Henrietta!« Daria lief zu ihr und schwang sich auf ihren Rücken.
    Doch es ging nicht schnell genug. Rufe ertönten, Geschrei erhob sich, sie hörte Schritte. Ein Mann packte sie am Fußgelenk und zerrte sie vom Pferd. Bevor sie zu Boden fiel, packte er sie um die Taille und fing sie auf.
    Daria wehrte sich. Sie stieß dem Mann den Ellbogen in die Kehle und das Knie zwischen die Beine. Der Mann heulte vor Schmerz und Wut laut auf. Seine Finger gruben sich in ihre Schulter. Daria sträubte sich wie eine Wilde. Aber dann kam ein zweiter Mann hinzu, und gemeinsam hielten sie sie an den Armen fest.

15
    So schnell gab Daria nicht auf. Keuchend versuchte sie sich mit einem Ruck loszumachen. Aber die beiden Männer hielten sie eisern fest. Der erste, dem sie die schmerzhaften Stöße versetzt hatte, hob die Faust gegen sie. Da ertönte eine Stimme: »Halt ein, Alan! Nicht schlagen!«
    »Das gemeine Biest hat mir beinahe die Kehle zerquetscht!«
    »Geschlagen wird nicht«, sagte der hinzukommende Mann. Es war der gutgekleidete Dicke, den Daria vorhin gesehen hatte.
    Daria stellte ihre Anstrengungen ein und schnappte nach Luft. Ihr Magen rebellierte. Sie fürchtete sich erbrechen zu müssen, doch es ging noch einmal gut.
    »Na, das ist aber ein zauberhaftes kleines Täubchen«, sagte der Dicke. »Hübsch und jung, sehr jung. Wer bist du, kleine Taube?«
    Sollte sie es ihm sagen? Oder würde das Roland in Gefahr bringen? Der Dicke sah gar nicht mehr so gemütlich aus wie vorhin, als sie ihn heimlich beobachtet hatte.
    »Ich habe Angst. Und deine Männer tun mir weh.«
    »Kann sein, aber du hättest ja auch beinahe meinen armen Alan abgemurkst. Kein Mann hat es gern, wenn eine Frau ihn so zurichtet. Laßt sie los, Jungens, aber paßt scharf auf sie auf!«
    Doch bevor Alan ihren Arm freigab, verdrehte er ihn ihr noch.
    »Wer bist du?« fragte der Dicke wieder.
    »Ich heiße Daria.«
    »Ein hübscher Name, wirklich ein sehr netter Name, doch bei allen Heiligen, er sagt mir nichts. Zu welcher Familie gehörst du?«
    »Der Graf von Reymerstone ist mein Onkel.«
    »Die gibt doch nur an! Den Namen hat sie sich ausgedacht! Sie ist ein verlogenes kleines Biest!«
    »Alan, mein Junge, beruhige dich. Wenn sich herausstellt, daß sie lügt, überlasse ich sie deinen liebevollen Armen. Aber wenn man einen Namen noch nie gehört hat, heißt das noch lange nicht, daß er erfunden sein muß. Wo lebt deine Familie, Mädchen? Und warum ziehst du ganz allein durch die Gegend? Ach, seht euch doch mal den schönen Zelter an! Verarmt scheinst du nicht gerade zu sein, kleine Taube, wie?«
    Sie sprudelte heraus. »Ich bin Gast des Lords Graelam de Moreton. Wenigstens war ich es bis vor wenigen Stunden.«
    »Sie lügt schon wieder, Master Giles! Über de Moreton habe ich gehört, daß er mit seiner Frau sehr glücklich ist. Da wird er sich bestimmt nicht vor ihren Augen so ein kleines Flittchen halten.«
    Der Dicke, Master Giles, sah sie aus schmalen Augen forschend an. Dann hob er langsam den Arm. Seine Hände waren dicklich und weiß, zu weiß für eine Männerhand. Daria fühlte sich von ihm

Weitere Kostenlose Bücher