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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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überraschte mich.
    »Hat er dir das gesagt?« fragte ich. Baloyne brauste auf ob meiner Naivität.
    »Wie hätte er mir so etwas sagen können?! Aber es liegt auf der Hand. Es ist ihr Wunschtraum, daß wir kein Glück haben oder wenigstens, daß am Ende herauskommt, es sei eine Karte eingetroffen, auf der man uns grüßt und uns weiterhin alles Gute wünscht. Ja, und das würden sie dann mit großem Trara bekanntgeben und wären entzückt. McMahon hat sich unerhört weit vorgewagt, du kennst ihn nicht, er ist ein enorm vorsichtiger Mann. Und trotzdem hat er Romney unter vier Augen über die weitreichendsten technologischen Konsequenzen des ›Froschlaichs‹ ausgequetscht. Die weitreichendsten Konsequenzen! Und mit Donald hat er auch darüber gesprochen.«
    »Und was haben sie ihm gesagt?« fragte ich. Wegen Donald brauchte ich mir keine grauen Haare wachsen zu lassen. Er hielt dicht wie ein Panzerschrank.
    »Eigentlich nichts. Was Donald ihm gesagt hat, weiß ich selbst nicht mal, und Romney nur so viel, daß er ihm als einziges seine nächtlichen Alpträume beichten könnte, denn im Wachzustand sähe er nichts.«
    »Sehr gut so.«
    Ich verbarg meine Befriedigung nicht. Baloyne jedoch zeigte deutliche Anzeichen von Niedergeschlagenheit. Er fuhr sich mit der Hand in die Haare, schüttelte den Kopf und seufzte.
    »Learney soll zu uns kommen«, sagte er. »Mit irgendeiner Theorie zu unserem Thema, einer eigenen Konzeption. Ich weiß nicht genau, womit. McMahon hat es mir buchstäblich in der letzten Minute gesagt, als er schon in die Maschine stieg.«
    Ich kannte Learney. Er war Kosmogonie-Spezialist und ein ehemaliger Schüler von Hayakawa, ein ehemaliger, weil manche Leute behaupteten, er sei bereits über seinen Lehrer hinausgewachsen. Ich sah nur nicht ein, was sein Gebiet mit dem Projekt zu tun haben sollte und woher er überhaupt davon erfahren hatte.
    »Ja, wo lebst du denn? Ist dir nicht klar, daß die Verwaltung unsere Arbeit haargenau noch einmal machen läßt? Schon genug, daß sie uns dauernd auf die Finger gucken, und nun auch noch das!«
    Ich konnte es nicht fassen. Ich fragte, woher er das wisse und ob es wirklich denkbar sei, daß sie eine Art Gegenprojekt hätten, eine Art parallele Kontrolle über unser Vorgehen ausübten? Baloyne schien nicht Bescheid zu wissen, und da er so etwas gar nicht gern zugab, schaukelte er sich selbst noch so richtig hoch und rief, schon im Beisein von Dill und Donald, die hinzugekommen waren, eigentlich sei es in dieser Situation seine Pflicht, von seinem Posten zurückzutreten!
    Derlei Drohungen stieß er von Zeit zu Zeit aus und begleitete sie mit Brüllen und Toben, alldieweil Baloyne im kleinen Stil nicht leben kann und ein gewisser opernhafter Bombast unerläßlich ist für seinen Energiehaushalt. Doch diesmal vereinten wir unsere Überredungskünste, bis er unsere Argumente einsah und verstummte. Er war schon im Gehen begriffen, als ihm plötzlich mein Gespräch mit McMahon wieder einfiel und er mich auszuhorchen begann. Ich erzählte ihm ungefähr alles, ohne die Kassandra, und dies war der Epilog der Senatorenvisite.
    Bald sollte sich herausstellen, daß die VorbereitungenDonald mehr Zeit kosten würden, als er geglaubt hatte. Auch ich kam nicht leicht voran: Die Theorie wurde immer verworrener, ich mußte allerlei Tricks anwenden, mein »Leibarithmometer«, so nannten wir ihn, reichte nicht aus, ich mußte andauernd ins Hauptrechenzentrum, was nicht zu den Annehmlichkeiten gehörte, denn es bliesen hurrikanartige Stürme, und man brauchte nur hundert Meter über die Straße zu gehen, um den Sand in Ohren, Mund, Nase, ja sogar hinter dem Kragen zu haben.
    Für den Mechanismus, dank dem der »Froschlaich« die erzeugte Kernenergie absorbierte, hatten wir noch immer keine Erklärung gefunden, ebensowenig wie für die Art und Weise, auf die er sich der Trümmer jener Mikroexplosionen entledigte, und das waren alles Isotope, die harte Gammastrahlung emittierten, hauptsächlich seltene Erden. Donald und ich hatten eine phänomenologische Theorie erarbeitet, die die Versuchsergebnisse nicht schlecht voraussah – aber sozusagen im nachhinein, das heißt im Bereich des bereits Erkannten. Wenn man das Experiment im größeren Rahmen durchführte, gingen Prognosen und Ergebnisse auseinander. Donalds Effekt, den er »Trex« – Transport der Explosion – getauft hatte, ließ sich außerordentlich leicht realisieren. Er zerquetschte ein Klümpchen »Froschlaich« zwischen

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