Die Strafe des Seth
erstarrte.
Deutlich konnte er die Wimpel sehen, die den Besitzer der Boote als den Hohepriester von Heliopolis und Abydos auswiesen.
»Ramose«, hauchte Nesamun, und ihm wurden die Knie weich. »O Amun-Re, bitte steh uns bei.«
* * *
Verwundert registrierte Ramose die drei Barken, von denen zwei in Richtung Süden segelten, während ihm die des früheren Wesirs entgegenkam.
Nachdenklich strich er sich übers Kinn und sah zu ihnen hinüber.
Was hatte das zu bedeuten? Was war hier während seiner Abwesenheit geschehen? War er einem Komplott auf der Spur?
Unruhig rutschte er auf seinem Platz unter dem Baldachin hin und her.
Nachdem sein Schiff am Tempelanleger festgemacht hatte, begab er sich sofort auf das wunderschöne Anwesen, das Amunhotep für sich hatte bauen lassen, und befahl umgehend den Zweiten Propheten zu sich.
»Ich freue mich, dass du wieder in der heiligen Stadt des Osiris weilst«, begrüßte Netnebu seinen neuen Herrn und verneigte sich. Er betete, dass Ramose nicht herausbekommen würde, was ohne sein Wissen geschehen war.
»Setz dich«, forderte der Hohepriester ihn barsch auf. »Was haben Nehi, Chaemwaset und Nesamun hier in Abydos getan?« Drohend ruhte Ramoses Blick auf Netnebu. »Und lüge mich nicht an. Ich sah ihre Barken, als sich meine der Stadt näherten.«
Netnebu setzte eine Unschuldsmiene auf. »Sie wollten zum Großen Gott Osiris beten und dem Ka von Osiris Ramses ein Trankopfer bringen«, log er und sah den Hohepriester treuherzig an.
»Und das soll ich dir glauben?«
»Ja natürlich, Herr. Oder glaubst du, ich würde dich belügen?«, fragte Netnebu sichtlich beleidigt.
»Vielleicht haben sie das zu dir gesagt. Es erscheint mir allerdings recht seltsam, dass ausgerechnet diese drei Männer zur selben Zeit das Bedürfnis verspüren, zu Osiris beten zu wollen und dem Ka des verstorbenen Königs ein Opfer darzubringen.« Ramoses Augen hatten sich zu engen Schlitzen zusammengezogen. Er dachte angestrengt nach.
War hier tatsächlich eine Verschwörung gegen Ramses-Sethherchepeschef im Gange. Waren womöglich die Osiris-Priester Teil dieses Komplotts? Oder gab es einen anderen Grund, warum sich Nehi, Nesamun und Chaemwaset in Abydos getroffen hatten? Oder hatten etwa seine Priester ...?
Ramose stockte der Atem.
Sollten mit dem Wissen der Osiris-Priesterschaft die Leiber der beiden Hochverräter der westlichen Wüste entrissen worden sein, um sie entgegen dem Befehl Seiner Majestät zu bestatten? – Nesamuns Anwesenheit sprach dafür.
Er schloss die Augen und überschlug in Gedanken, wie lange es her war, dass Amunhotep und sein Sohn zum Tode verurteilt worden waren.
Die Zeit hätte ausgereicht, um die Körper zu mumifizieren.
Unbehaglich strich er sich mit der flachen Hand übers Gesicht und öffnete wieder die Augen.
Es passte alles zusammen. Die Zeit hätte genügt, Nesamun war hier, und es war allgemein bekannt, dass er und Nehi befreundet waren. Doch was hatte Prinz Chaemwaset bewogen, in Abydos zu erscheinen?
Ramoses Blick richtete sich wieder auf den Zweiten Propheten. »Was haben Nesamun, Chaemwaset und Nehi in Abydos gewollt, Netnebu?«
»Wie ich dir bereits sagte, Herr, sie wollten beten.«
»Das glaube ich dir nicht. Entweder haben sie sich unter den Augen meiner Priester verschworen, vielleicht sogar mit ihrem Wissen ...«, polterte Ramose, und seine Stimme überschlug sich fast. »Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Befehl Seiner Majestät missachtet wurde, und sie sich hier getroffen haben, um Nesamuns Sohn und seinen Enkel zu bestatten.«
Netnebu zeigte keinerlei Gefühlsregung. Emotionslos blickte er den Hohepriester an. »Ich kann dir darauf keine andere Antwort geben als jene, die ich dir bereits zwei Mal gegeben habe.«
»Wir werden sehen, Netnebu.« Ramose hatte sich wieder unter Kontrolle. Er gab dem Zweiten Propheten zu verstehen, dass er gehen durfte.
Er selbst begab sich in sein Amtszimmer im Tempelbezirk, um die anderen Gottesdiener zu befragen. Keiner konnte seine Befürchtungen bestätigen.
Missmutig kehrte Ramose in sein Haus zurück und verfasste eigenhändig eine Botschaft an den Wesir.
* * *
Knapp sechs Wochen später kam in den Strahlen der untergehenden Sonnenbarke ein prachtvolles Geschwader den Fluss herauf, an dessen Spitze die Barke des Herrn der Beiden Länder fuhr.
»Der Pharao kommt!«, schrie ein Wab-Priester aufgeregt und eilte zum Arbeitsbereich der höheren Priesterschaft, um dem
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