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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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importiert, möchte ich sicher sein, dass er sie nicht benutzt, um Harakiri zu begehen.«
    Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich, und Kanans Frau trat heraus. Sie war blass.
    Simioni ging auf sie zu. »Mrs. Kanan …«
    »Ich kann nicht.« Sie hob die Hand. »Kann nicht darüber reden …« Ihr Gesicht zerknitterte, und sie drückte den Handrücken auf den Mund, wie um einen Schrei zu ersticken.
    Ian Kanans Frau war zierlich. Trotz ihrer Plateaustiefel war sie zwei Zentimeter kleiner als Jo, und Jo war auch keine Riesin. Ihre glänzende karamellfarbene Mähne ließ Sportlichkeit und Selbstvertrauen erkennen. Die weiße Wolljacke wirkte stilvoll und elegant. Darunter trug sie einen engen schwarzen Pullover und einen blauen Karorock, der ihre Rundungen betonte.
    »Helfen Sie ihm.« Ihre Stimme zitterte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte davon.
    Jo und Simioni schauten sich an. Der Neurologe schüttelte den Kopf, als wollte er erst einmal Schere, Stein, Papier mit Jo darum spielen, wer Kanans Frau beruhigen sollte.
    Jo lief ihr nach. »Mrs. Kanan.«
    Die Worte schienen die Frau zu treffen wie ein Peitschenschlag. Ohne zu zögern, beschleunigte sie ihren Schritt.
    »Bitte warten Sie«, rief Jo. »Wir brauchen Ihre Unterstützung.«

    Die Frau bog um die Ecke. Jo folgte ihr und beobachtete, wie sie auf der Kreuzung zweier Gänge verwirrt nach dem richtigen Weg suchte. Jo konnte nicht erkennen, ob die Frau unter Schock stand, ob sie entsetzt war oder ob sie sich einfach nur an die letzten Sekunden der Normalität klammerte, ehe ihr glückliches Familienleben einstürzte wie ein Kartenhaus.
    Jo streckte die Hand aus. »Dr. Jo Beckett.«
    Erst nach merklichem Zögern kapitulierte Kanans Frau und reichte ihr die Hand. »Misty Kanan. Stimmt es? In fünf Minuten hat er vergessen, dass ich hier war?«
    »Ja.«
    »Das ist verrückt. Er ist verrückt. Das wollen Sie damit doch sagen. Er ist dabei, den Verstand zu verlieren.«
    »Nein, das will ich nicht sagen.«
    »Sein Gehirn ist voller Löcher. Wieso soll das was anderes sein, als wahnsinnig zu werden?« Sie fuhr sich mit beiden Händen über die Wangen. »Halten Sie es auf. Machen Sie ihn gesund.«
    »Wir wissen nicht, was es ist.«
    »Geben Sie ihm Medikamente. Operieren Sie ihn. Tun Sie was. Elektroschockbehandlung. Um Himmels willen, irgendwas.«
    »Wir gehen der Sache auf den Grund. Aber dafür brauchen wir Ihre Hilfe. Sie müssen ihn dazu bringen, dass er mit uns redet.«
    »Er will keine Hilfe von mir. Er ist … o Gott, dieser Mann. Will immer stark sein. Er wird seine Schwäche nie zugeben.« Sie drückte die Hände an die Augenwinkel. »Hypnotisieren Sie ihn. Sie sind doch Psychiaterin - reißen
Sie ihn da raus. Bringen Sie sein Gedächtnis wieder in Gang.«
    »Seine Erinnerungen werden nicht vergessen. Sie werden zerstört, bevor sie sich manifestieren können. Wir können sein Betriebssystem nicht neu starten und sie dann aufrufen. Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen, um die Stromzufuhr wiederherzustellen.«
    Nervös sah Misty zuerst Jo an, dann an ihrer Schulter vorbei. Sie schien angespannt und widerborstig wie eine Spule Stacheldraht. Immer wieder strich sie sich über die Arme und kratzte sich, als würde sie ein heftiger Juckreiz quälen.
    »Ich muss an die Luft.« Sie setzte sich in Bewegung.
    »Warten Sie - geben Sie mir Ihre Telefonnummer«, sagte Jo.
    Misty stoppte und kritzelte etwas auf einen Schmierzettel. »Meine neue Handynummer. Sie können mich jederzeit anrufen. Tag und Nacht.«
    Damit rauschte sie davon und wich einem Pfleger aus, der einen älteren Mann im Rollstuhl vor sich her schob. Jo hörte, wie sie in Tränen ausbrach.
    Jo blickte ihr nach. Sie konnte sich keinen Reim auf Mistys Verhalten machen. Ratlos fuhr sie sich durchs Haar und atmete tief durch, bevor sie wieder zurück zur Notaufnahme strebte.
    Simioni war nirgends zu sehen, aber Officer Paterson wartete vor der Schwesternstation. Mit einem schiefen Lächeln schritt sie auf ihn zu. »Im Flugzeug habe ich vielleicht den Eindruck erweckt, dass mir Kanan wichtiger ist als Sie. Das tut mir leid. Wie geht’s Ihrem Ellbogen?«

    »Danke, gut.« Sein Kindergesicht wirkte müde. »Es wird Zeit, dass ich Kanan über seine Rechte belehre.«
    »Sie können ihm seine Rechte vorlesen. Er wird Sie verstehen. Aber fünf Minuten später wird er nichts mehr davon wissen.«
    »Kopfverletzungen können Leute gewalttätig machen. Vielleicht schlägt er wieder um sich. Das

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