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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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starrte. Nur ein paarmal knirschte es, in dieser Stille überlaut und die Nerven zerreißend: Soja Igorowna ging zum Bus zurück; sie hatte nicht die Kraft, so etwas weiter mitanzusehen.
    Die Zeit verrann. Neroschenko ging unruhig hin und her, außerdem fraß die Kälte an ihm trotz des dicken Hundefellmantels. Auch die anderen vereisten langsam, an ihren Gesichtern klebten die Atemkristalle. Das Luftholen wurde zur Qual, die Frostluft verbrannte Mundhöhle, Luftröhre und Nasenschleimhaut. Marius hatte man nach zwanzig Minuten in den Bus zurückgezogen. Dort hockte er nun auf dem Sitz, das Gesicht in die Hände vergraben und schluchzte ununterbrochen. Einem Assistenten, der ihm ein Glas Wodka anbot, hieb er das Glas aus der Hand. »Mörder …«, stammelte er dabei, »Mörder! Aber ich bringe euch alle um …«
    Dr. Boganorow und Dr. Latischew, die abwechselnd neben Corinna knieten, kontrollierten die Tücher. Nach einer halben Stunde hob Boganorow den Kopf, sah Neroschenko mit flatternden Augen an und meldete mit rauher Stimme:
    »Die Tücher weichen auf … sie werden beweglich … das Eis schmilzt …«
    Unter und über Corinnas nacktem Körper hatte sich währenddessen der Schnee verändert. Erst wurde er pappig, dann lief eine breite Spur von Schmelzwasser an ihren Seiten herab. Neroschenko, durch die dicke Pelzmütze daran gehindert, seine Glatze zu polieren, schabte über das steif vereiste Fell. Ich habe es gewußt, dachte er voll Triumph. In Moskau habe ich es so sicher gewußt, wie ich atme. Als der Sergejew-Detektor die gegenüber der Norm dreiundfünfzigmal stärkere Strahlung eines Kraftfeldes anzeigte, wußte ich es! Was wir jetzt sehen, ist eine Konzentration von Energie, die seit ewigen Zeiten besteht. Die menschliche Dimension ist aufgehoben. Corinna gehört jetzt einer Sphäre an, in der alles Weltliche ein Nichts ist. In der es keinen Frost von achtundzwanzig Grad gibt, sondern nur strahlende Energie!
    Nach einer Stunde waren die Wolltücher aufgeweicht, der Schnee um Corinnas nackten Körper schmolz und floß in breiten Schmelzbächen ab. Neroschenko winkte. Dr. Boganorow und Dr. Latischew rissen die nassen, warmen Tücher von Corinna und warfen sie weg. Kaum hatten sie den Kontakt mit dem Körper verlassen, dampften sie in der schrecklichen Kälte und erstarrten nach ein paar Minuten wieder zu Eisbrettern. Neroschenko und Dr. Latischew hoben Corinna aus dem Schneewasser, stützten sie, und ein Assistent warf den Fuchsmantel über sie. Die Haut ihres Körpers war weiß und makellos. Dr. Hambach preßte die Fäuste vor den Mund. Das, was er hier erlebte, widersprach allen medizinischen, physikalischen und biologischen Gesetzen … Corinna hätte eigentlich steif gefroren und tot sein müssen.
    Mit einem Seufzer öffnete sie jetzt die Augen. Ihr Blick war weit, weit weg, wie in der Unendlichkeit. Neroschenko zerstörte bewußt brutal die Distanz, indem er Corinna mit der flachen Hand ein paarmal, nicht zu kräftig, ins Gesicht schlug. Sie zuckte zusammen, ihr Körper begann zu zittern, und mit beiden Händen zog sie den Mantel vor sich zu. Jetzt erst schien sie ihre Umwelt wieder zu erkennen: Neroschenko, Ljudmila, Doerinck und Dr. Hambach …
    »Eine … eine Zigarette bitte …«, sagte sie dumpf. »Schnell … jetzt wird mir kalt.« Dr. Boganorow kam mit einer dicken Pelzdecke herbeigelaufen, man hob Corinna hoch, wickelte ihre Füße in diese Decke ein und trug sie hinüber zu den Meßinstrumenten. EKG wurde angeschlossen, der Pulsmesser, das elektronische Thermometer, der neu entwickelte tragbare Sergejew-Detektor.
    Es war, als räche sich jetzt die weltliche Natur für den Ausflug in die andere Dimension … der Frost fraß sich durch den Pelz. Corinna klapperte mit den Zähnen. Dr. Latischew schob ihr eine angezündete Papirossa zwischen die zugekniffenen, zitternden Lippen. Nach vier hastigen, gierigen, inhalierenden Zügen entspannte sich ihr Gesicht. Die Instrumente liefen. Mit maßlosem Erstaunen sah Professor Neroschenko, wie der Zeiger des Bio-Energometers bis zum Anschlag ausschlug und dort zitternd weiterdrängen wollte. Das Gerät war zu schwach, um die in Corinna noch wirksame Energie zu messen.
    »Unglaublich!« sagte Neroschenko leise und wischte sich über die mit kleinen Eiszapfen behangenen Augenbrauen. »Einfach unglaublich! Das sprengt ganz einfach unser Wissen!« Er küßte die zitternde Corinna auf die Augen und fragte mit belegter Stimme: »Was hast du gefühlt,

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