Die strahlenden Hände
milde gestimmt und preßte nicht allzu fest zu. »Zur Begrüßung ein Körnchen?«
»Immer!« Roemers Gesicht glänzte. Der Alte war ihm auf Anhieb sympathisch. »Ein Schlückchen nach der Liebesnacht, macht schlaffe Glieder wieder wach.«
»Sehr eindrucksvoll«, sagte Hambach.
»Wir sind eben ein Volk der Dichter und Denker!« Roemer stapfte voraus in das Wohnzimmer, fand alles stinkgemütlich, nicht so voll kalter Pracht wie sein eigener Landhauspalast, und ignorierte völlig, daß Willbreit ihm in den Rücken boxte. »Ich beneide Sie, Dr. Hambach.«
»Wofür?«
»Sie können leben, wie's Ihnen paßt. Sie haben vor allen Dingen keinen Freund, der immer sooo vornehm sein will. Wo ist der Korn? Heute ist ein ausgesprochen trockener Tag. Die Trockenheit, die Trockenheit, ist nicht das Beste für ein Weib … So was hätte auch Goethe sagen können.«
Hambach holte aus dem Kühlschrank in der Küche die Flasche, drei an geeiste Gläser und goß ein. Stehend kippte man das erste Glas. Roemer brüllte: »Ha! Das läuft!« Und Willbreit verspürte nach langer Zeit so etwas wie Scham. Andererseits war Roemer ein Freund, auf den man Hochhäuser bauen konnte.
»Sie hatten meine Sekretärin angerufen und mich eingeladen«, sagte Willbreit, nachdem man sich gesetzt hatte. Roemer ließ sich ganz vorsichtig nieder; er traute den alten Ledersesseln nicht. »Hat sich der Zustand von Frau Doerinck nun doch verändert?«
»Ja.« Hambach nickte. »So ist es.«
»Ich hatte keine Unklarheiten darüber gelassen. Eine Operation ist ja wohl jetzt nicht mehr möglich.«
»Nein. Eine Operation kommt nicht mehr in Frage.«
»Es ist eine große Tragik in diesem Fall.« Willbreit faltete die Hände. »Wie nimmt es die … die Tochter auf?«
»Wir haben zunächst alle geweint. Ich auch.« Dr. Hambach sah, daß Roemer fast platzte, weil er nichts sagen durfte, aber Willbreits Blicke hielten ihn zurück. »Es hat uns glatt umgeschmissen.«
»Es mußte so kommen. Es war im voraus berechenbar.«
»Das war es nicht, Herr Professor.« Hambach goß wieder ein, weil Roemer mit seinem leeren Glas wedelte. Mit einem Grunzen bedankte er sich. »Damit hat keiner gerechnet. Herr Doerinck nicht, ich nicht und – ich glaube – auch Corinna nicht. Wir wurden überwältigt.«
Überwältigt ist wohl nicht der richtige Ausdruck, dachte Willbreit. Das Gewissen hat euch alle geschlagen, aber nun ißt es zu spät. An der Kranken habt ihr ein Verbrechen begangen, das wird euch jetzt endlich klar. Immerhin ist es nobel, daß Hambach das vor mir eingesteht.
»Besteht die Möglichkeit, Frau Doerinck zu besuchen?« fragte er.
»Das hatte ich vor. Wir fahren nachher zu ihr hinüber.«
»Und das Streichelmäuschen ist auch da?« fragte Roemer zum Entsetzen Willbreits.
»Ja, das Streichelmäuschen auch.« Dr. Hambach grinste breit. »Sie ist ja die Hauptperson.«
»Ich habe mich mit dem Fall von Frau Doerinck intensiv beschäftigt.« Willbreit wartete, bis Roemer wieder unter zufriedenem Ächzen sein Glas ausgetrunken hatte. »Ich betrachte ihn jetzt fast wie ein ganz persönliches Problem.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Herr Professor.«
»Nicht zufällig habe ich Herrn Dr. Roemer gebeten, mich zu begleiten. Ich bin der Ansicht, daß diese Angelegenheit auch juristisch durchdacht werden sollte.«
»Einfach ausgedrückt: Er will der Kleinen verbieten lassen, in medizinischer Absicht zu streicheln.« Roemer gluckste und wischte sich den Mund. »Wenn schon mit den Fingern, dann nicht tierisch wissenschaftlich. Erklären Sie mir doch mal, wie das Wuschelchen vorgeht, Doktor. Aus dem, was mir Thomas erzählt, kann ich mir kein Bild machen. Sie streckt also ihre Hände, hält sie in einem gewissen Abstand von der Person und bügelt den dazwischenliegenden Luftraum. Ist es so?«
»Nicht ganz.« Dr. Hambach schüttelte den Kopf. Roemer gefiel ihm trotz seiner Schweinigeleien. Er war ein Mann, mit dem man ohne Umschweife sprechen konnte. Vor allem nahm er das Leben von der leichten Seite; vielleicht darum, weil er im Gerichtssaal immer nur die Schattenseiten des Lebens sah. »Von ihren Händen strömt eine noch nicht erforschte Energie in andere Körper über und beeinflußt die biologische Struktur. Die biologische Kybernetik kann das nachweisen, mit Kraftfelddetektoren sogar messen und sichtbar machen: Ein Strahlungsfeld, Bio-Plasma genannt, wirkt konzentriert auf Zellen und biologische Vorgänge ein. Dazu gehören auch bestimmte Erkrankungen, vor allem
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