Die Strasse des Horus
ängstlich herumstanden. In der eingetretenen Stille richteten sich alle Augen auf Ahmose. Damals hat Kamose geschossen, dachte Ahmose fieberhaft, als er den besonnten Fleck, flankiert von Turi und Anchmahor, betrat. Aber ich muss ein Schwert schwingen, muss den Rückstoß spüren, wenn es Muskeln und Knochen durchtrennt, muss mich darauf gefasst machen, zur Seite zu treten, wenn das Blut spritzt und der Körper zuckt. In der Hitze der Schlacht, ja, da geht das, aber so kalt auf einen Mann zuzugehen, der auf den Knien liegt und dem das trocknende Haar um den Hals flattert, den ich abschlagen muss, das ist eine ganz andere Sache. Amun, hilf mir, dass ich vor meinem Volk nicht schmählich versage!
Er zog sein Schwert und sprach zu den Männern aus Esna und Pi-Hathor. »Aus Gnade habe ich beschlossen, euch nach Haus zurückzuschicken«, rief er, und seine Stimme klang klar in dem erwartungsvollen Schweigen. »Ihr seid alle des Hochverrats schuldig, was ihr euch auch immer als Rechtfertigung für diesen Aufstand ausdenkt. Ihr sollt euch jedoch an diesen Tag erinnern, an meine Barmherzigkeit und die Rache, die ich jetzt übe. Ägypten gehört mir. Ihr gehört mir. Wenn ihr das noch einmal vergesst, töte ich alle, Männer, Frauen und Kinder in beiden schuldigen Städten, und mache diese dem Erdboden gleich. Ich habe gesprochen.« Er hörte sie erleichtert murmeln, und die Abneigung, die ihm ihre ungesäumt aufflammende Selbstsucht einflößte, machte seine Hand fest und beruhigte sein hämmerndes Herz. Eine der Frauen begann zu kreischen: »Yamu, nein! Yamu, nein!« Ahmose wandte sich zu dem Mann, umklammerte den Schwertgriff und hob die Waffe bis zur Schulter.
»Möchtest du kurz beten?«, fragte er und wunderte sich selbst, dass seine Stimme nicht zitterte.
»Ja«, sagte Yamu mit erstickter Stimme, weil sein Mund so dicht am Boden war und sein volles Haar zu beiden Seiten herunterhing. »Ich bete darum, dass du für immer verflucht sein mögest, du und deine Nachkommen, jeder Tao bis zum Ende der Zeit.« Ahmose stellte sich breitbeinig hin. Er hob das Schwert mit beiden Händen. Der Nacken des Mannes streckte sich. »Im Namen meines Vaters Amun«, flüsterte Ahmose und ließ das Schwert funkelnd und beinahe lautlos fallen.
Er schaffte es noch anzuordnen, dass man den Leichnam zu den anderen ins Feuer werfen und den Kopf auf eine Stange stecken sollte, wo ihn jeder auf dem Weg von der Stadt zum Fluss sehen konnte. Aber als er seinen Streitwagen erreichte, ließ er sich neben ihm zu Boden sinken, verschränkte die Arme über dem Magen und legte den Kopf auf die Knie. »Anchmahor«, krächzte er. »Schicke ein paar Getreue in die Stadt und treibe Wein auf. Einerlei welchen. Meinetwegen auch Palmwein.« Er sah einen Blutspritzer auf seinem Schurz, stand auf, riss sich das Kleidungsstück vom Leib und warf es in ein Dornengebüsch.
»Majestät, was ficht dich an?«, fragte Anchmahor. »Du hast früher doch auch getötet. Du und Osiris Kamose und davor dein Vater, allesamt Kriegerkönige. Die Tat war gerecht und notwendig. Was ist daran falsch?« Ahmose blickte ihn an.
»Es will nicht enden«, sagte er leise. Er hatte einen Reifen um die Brust, und seine Schultern schmerzten von der Wucht des Hiebs. »So viele Leben sinnlos vergeudet. Ich hatte gedacht … ich hatte gehofft… Apophis ergibt sich nicht. Auaris wartet auf mich wie eine riesige eiternde Wunde, die ausgebrannt werden muss, und das hier«, er berührte das noch feuchte Blut auf seinem Schenkel und hielt den Finger hoch, »wird allmählich zum Wahrzeichen meiner Familie. Blut und die Taos. Wenn du an eins denkst, dann unwillkürlich auch an das andere.« Anchmahor bückte sich tiefer.
»Ich hole dir frische Kleidung, und die Getreuen bringen dir Wein«, sagte er sanft. »Nimm Natron und wasche dich im Nil, Majestät. Für den Rest des Tages musst du dich um nichts mehr kümmern. Die Leichen brennen, und Abana ist gerade dabei, die Setiu-Schiffe zu bemannen, damit man sie nach Necheb bringen kann. Diese Strafexpedition war notwendig, Ahmose, und das weißt du. Pi-Hathor und Esna hätten anstecken können.«
»Wo denn? Wen denn?«, murmelte Ahmose. Er zog sich am Streitwagen hoch und stand auf wackligen Beinen vor seinem Obersten Getreuen. »Die Setius haben nur noch im Delta Einfluss. Aber du hast wie üblich Recht, Anchmahor, und ich bin fast wieder der Alte. Ich werde mich Hapis reinigender Berührung überlassen, wie du empfiehlst. Schicke Abana zu mir,
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