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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Unheil droht? Und denk an das, was ich bei meinem letzten Besuch in diesem Haus erlebt habe. Ich muss wissen, was das alles zu bedeuten hat!«
    Alexander seufzte. »Nun, ich schätze, wir können leicht herausfinden, wer hier gewesen ist, wenn du das wirklich wissen willst. Und was den Rest angeht … da gibt es nur eines, was du tun kannst.«
    Ich sah ihn fragend an. »Schreib an das Krankenhaus in Paris, wo sie starb«, riet er mir. »Versuch eine Kopie des Totenscheins oder sonst irgendeinen Beweis für das, was dort geschehen ist, aufzutreiben. Verschaff dir Klarheit darüber, ob das, was auf diesem Schein steht, wahr ist…«
    Ich musterte ihn verstohlen. Die Worte, die den Satz vervollständigen sollten, hallten fast schmerzhaft in meinen Ohren wider. Oder nicht. Aber im Moment scheuten wir beide noch vor dieser Möglichkeit zurück.
    Stattdessen erwiderte ich: »Das werde ich sofort erledigen, wenn wir wieder zu Hause sind«, und griff dadurch gierig nach jeder sich bietenden Möglichkeit, mich mit etwas Konkretem zu befassen, was mich vorübergehend von all diesen dunklen Rätseln ablenken würde. »Aber jetzt sollten wir herausfinden, wer sich bei meinem letzten Besuch hier im Haus aufgehalten hat.«
    Wieder entrang sich Alexander ein tiefer Seufzer. »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Alexander legte den Totenschein in die Schublade zurück und griff dann nach meiner Hand. Wir verließen die Bibliothek und gingen in den Ballsaal zurück.
    »Hast du dich schon einmal draußen umgesehen?«, fragte er, und als ich den Kopf schüttelte, zog er mich auf die Glastüren zu.
    Der hinter dem Ballsaal gelegene Rosengarten war ein
verfallenes Zerrbild des Gartens aus meinem Traum. Der Springbrunnen war ausgetrocknet und stellenweise geborsten, statt der glitzernden Wasserfontäne, die meine träumenden Augen so gefesselt hatte, ergossen sich jetzt Geißblattranken von Becken zu Becken. Auch die Bank neben dem Springbrunnen war zerbrochen: Eine Hälfte lag in Trümmern auf dem Boden, die andere ragte schief darüber auf. Wilde Rosen überwucherten die losen Steine. Es war ein Fehler gewesen zu erwarten, dass der Garten haargenau so aussehen würde wie in meinem Traum, das wusste ich, doch das Ausmaß des Verfalls, dem ich hier begegnete, erschütterte mich zutiefst.
    Ich musterte die nähere Umgebung des Gartens, die ich im Traum nicht hatte sehen können. Links von mir zog sich vom hinteren Ende des Ballsaals eine hohe, efeubewachsene Mauer in einem Bogen bis zum anderen Ende des Raumes und bildete so einen eingefriedeten Hof, der ungefähr so groß sein mochte wie der angrenzende Saal.
    Wir gingen an dem zerborstenen Springbrunnen vorbei auf die efeuverhangene Mauer vor uns zu. Alexander schob die Ranken beiseite und fand die dahinter verborgene Tür genau dort, wo ich sie im Traum gesehen hatte. Wie in unserem Traum war sie verschlossen. Er nahm den Schlüssel, den ich ihm reichte, und drehte ihn im Schloss. Die Efeuranken hatten sich um die Angeln gewunden, die Tür wollte sich nicht öffnen lassen. Alexander stemmte sich mit aller Kraft dagegen, und wir zwängten uns durch einen schmalen Spalt.
    Obwohl der Dschungel auch begonnen hatte, von dem hinter der Tür liegenden zweiten Garten Besitz zu ergreifen, konnte er seine Schönheit nicht beeinträchtigen. Vielmehr sah es fast so aus, als hätten das Dickicht und die Lianen eine schützende Mauer darum gezogen, um ihn vor dem zerstörerischen Werk von Zeit und Elementen zu
schützen. Der Baum in der Mitte stand nicht in Blüte, aber die Büschel dicker, wächserner Blätter strotzten vor Leben. Das kniehohe silbrig grüne Gras war mit leuchtend gelben Butterblumen, wilden Möhren und vielen anderen Blumen durchsetzt, deren Namen ich nicht kannte. Wilde Rosen hatten sich über der immergrünen Hecke ausgebreitet und große Teile davon mit roten und weißen Blütenkaskaden überflutet.
    Doch es war die Statue, die meine Aufmerksamkeit auf Anhieb fesselte. Sie war mit dunklem Moos und blassblauen Flechten bewachsen und wies zahlreiche Wasserflecken auf. Eine Efeuranke wand sich an ihrem rechten Bein hinauf. Ansonsten hatten die Jahre ihr nichts anhaben können. Der steinerne Junge zeigte keinerlei Sprünge oder sonstige Beschädigungen, sein Gesicht mit der an die Lippen gehobenen Flöte war so lieblich und heiter, sein Lächeln so melancholisch wie in meinem Traum. Ich fragte mich, was für eine Melodie er wohl gespielt hätte, wenn er nicht aus Stein gemeißelt

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