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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie reingelegt. Sie hängen jetzt über den Achsen, Herr!«
    Ich drehte mich um und lächelte. Guter Ferrai, armer, elternloser Junge – ich möchte dich einmal mitnehmen nach Europa. Aber ich glaube, dort fühlst du dich nicht wohl, dort fehlt dir die Freiheit, die Weite, der Atem der Sahara, der Sandwind und der Schrei des Kamels. Es wird dir dort alles fehlen, was dein Leben war. Auch ich habe Angst, wieder nach Europa zu gehen – ich glaube, ich bin ein Afrikaner geworden. Die Wagen fuhren aus dem Fort. Prochaine stand im Staub, den unsere Räder aufwirbelten, und winkte uns nach. Seine Uniform, das goldbestickte Käppi, alles überzog sich mit dem mehligen Staub der Sahara. Ob ich ihn wiedersehe, den guten, steifen Prochaine, der nur dann aus seiner Haut fährt, wenn er zwei Flaschen Anisschnaps getrunken hat und im Zustand halber Verblödung schmutzige Lieder aus seiner Kadettenzeit singt? Ob ich das dreckige, langweilige Fort III wiedersehe, diese hohe Mauer mit den Wachtürmen und den in der Nacht kreisenden Scheinwerfern neben den Maschinengewehren? Ob ich die Wüste jemals wiedersehe? Es waren merkwürdige Gedanken, als ich aus dem Fort fuhr, Gedanken, geboren aus dem kochenden Blut, das durch meine Adern jagte.
    Schnell verschwamm das Fort in den Staubwolken. Die Dünen der Sahara und die Kiessteppen der Salzwüste umgaben uns. Ich hockte hinten im Wagen, hinter mir den singenden Ferrai, und hatte den Kopf in den Händen vergraben.
    Ich spürte, wie mein Körper meinem Willen entglitt.
    Noch hatte ich die Kraft, mich zu halten. Noch zwang ich mich, aufrecht zu sitzen.
    Aber es war ein Titanenkampf, ich fühlte, wie ich ihn von Minute zu Minute verlor. Nur weiter, dachte ich in diesen Augenblicken, nur viele Kilometer zwischen dich und das Fort bringen – sonst schicken sie dich zurück, sonst ist alles verloren. Und du mußt mit, du mußt sie wiedersehen, das deutsche Mädchen, von dem Ferrai fragte: »Ist es deine Frau, Herr?«
    Die Wagen fuhren. Das Dröhnen der Motoren schien meinen Kopf zu zersprengen. Ich hätte schreien können, so weh tat es. Aber ich biß in die Handballen und sagte nichts.
    Man hat es bald gemerkt. Nicht Grandtours sah es, nicht die Legionäre, die vor und hinter mir fuhren, sondern der auf der Plane des Jeeps hockende und singende Ferrai. Plötzlich unterbrach er seinen Gesang und beugte sich zu mir. Seine Augen waren dicht vor meinem Mund. »Herr, was hast du?« fragte er leise.
    Ich war bereits so vom Fieber durchrüttelt, daß ich nicht antwortete, sondern nur den Kopf schüttelte. Da schrie Ferrai auf, ehe ich ihn daran hindern konnte.
    Grandtours drehte sich herum. »Still, du Mistvieh!« sagte er laut. Dann sah er auf mich und erkannte, warum Ferrai geschrien hatte. »Fieber, Doktor?«
    »Ich glaube.«
    »Schlimm?«
    »Ziemlich.«
    »Wir kehren sofort um!«
    »Auf keinen Fall!« Ich richtete mich ächzend auf und hob beide Hände. »Denken Sie nicht an mich, Leutnant, denken Sie nur an das Mädchen! Ich bin unwichtig. Wenn ich irgendwo auf dem Weg krepiere, scharren Sie mich ein und fahren Sie weiter. Aber legen Sie Steine auf das Grab, Leutnant, damit mich die Hyänen nicht ausscharren.«
    »Reden Sie keinen Blödsinn, Doktor!« schrie mich Grandtours an. »Wir fahren zurück!«
    »Nein! Wenn Sie wenden lassen, springe ich aus dem Wagen. Dann haben Sie freie Fahrt!«
    »Sie sind verrückt, Doktor!«
    »Ja! Ich bin verrückt! Nehmen Sie es zur Kenntnis und fahren Sie mit einem Irren weiter! Es geht um das Mädchen! Ich bin doch nur ein ausgebranntes Wrack, das darauf wartet, daß es auseinanderfällt.« Ich zeigte auf das Lenkrad. »Fahren Sie, Grandtours. Oder soll ich mich hinter das Steuer setzen?«
    »Sie Idiot!« Grandtours drehte sich um und schaltete den Gang wieder ein. Der Jeep fuhr an. Wieder umhüllte uns Staub. Er drang durch die geschlossenen Lippen, und ich mußte husten. Der Kopf schmerzte, im Innern klopfte es; es war, als würde ich jeden Augenblick zerplatzen, mit einem Knall. Ich wartete auf diesen Knall, aber er kam nicht; ich fiel bloß nach vorn auf die Lehne und umklammerte den Sitz, um nicht aus dem Wagen zu stürzen. Ferrai saß jetzt auf meinem Sitz und hielt mich mit seinen dünnen, braunen, dreckigen Armen fest. Er sagte nichts mehr, aber als ich einmal die Augen öffnete und seinen Blick sah, durchdrang mich der grenzenlose Schmerz eines vollkommen hilflosen, leidenden Geschöpfs.
    Frost schüttelte mich wieder. Ich schloß die Augen.
    Dann

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