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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Handrick forschend an. »Was wollen Sie von mir wissen, Doktor? Ob ich verlobt bin? Nein! Ob ich verliebt bin? Da muß ich Ihnen sagen: Ja! Aber seien Sie bitte nicht so indiskret zu fragen, in wen!«
    »Wo sind Sie geboren?«
    »Laut Paß in Nîmes. Mein Vater war dort Arzt, meine Mutter Tänzerin. An der Riviera! Vater lernte sie in San Remo kennen und verliebte sich so in sie, daß er sie sogar heiratete! Gegen alle Erwartungen war die Ehe glücklich. Mutter lebt noch in Nîmes. Vater starb kurz nach dem Krieg. Neben einem älteren Bruder, der in der Bretagne Architekt ist, bin ich das einzige Kind. Verwöhnt, verhätschelt, immer gelobt, immer umschwärmt. Aber ich glaube, ich könnte auch in Elend und Dreck leben, wenn es an der Seite eines Mannes ist, den ich wirklich über alles liebe.« Sie lächelte ihn mit dunklen Augen an. »Noch etwas aus dem Fragebogen, Herr Doktor?«
    »Ja. Wie alt sind Sie?«
    »Siebenundzwanzig. Die Frage war indiskret, Doktor.«
    »Aber nötig. Sie sehen jünger aus, Jacqueline. Manchmal wie ein junges, unerfahrenes Mädchen, wenn Sie irgendwo träumend stehen – manchmal wie eine Bestie mit einem unerschöpflichen Repertoire von Verführungskünsten …«
    »Sie haben es gemerkt, Doktor?« Sie beugte sich vor. Ihr ausgeschnittenes Seidenkleid ließ den Ansatz ihrer Brust frei.
    Dr. Handrick rührte in seinem Glas und kam sich einsam und verlassen vor. Er wollte an Hilde denken – an dieses Mädchen aus der Heimat, das in den Händen gewissenloser Araber war. Aber er fühlte, wie Jacquelines Nähe ihn völlig verwirrte.
    Nach dem kurzen Drink gingen sie noch auf der Küstenstraße spazieren, stiegen die belebten Hauptstraßen empor zu den roten Felsen und lehnten oben an der Mauer, über das nächtliche, in ein Lichtermeer getauchte Algier blickend. In den Hafen fuhren zwei neue Transportschiffe ein. Ihre Lichter und Scheinwerfer kreisten über dem dunklen, stillen Wasser. Der Horizont war fahl im Mondlicht. Wie eine unendliche Scheibe lag das Meer. Hinter ihnen, in den Gärten, dufteten Mimosen, Jasmin und Malven.
    Jacqueline legte den Arm um seine Schulter. Ihre Haare kitzelten seine linke Wange. »Wollen Sie nicht hier in dieser herrlichen Stadt bleiben, Doktor? Die Wüste stelle ich mir grausam vor. Schrecklich!« Sie kniff die Augen zusammen. »Oder gehen Sie nur in die Wüste wegen des deutschen Mädchens?«
    »Auch, Jacqueline.«
    »Sie werden den kürzeren ziehen! Sie kennen nicht die Grausamkeit der Araber.« Sie lachte gequält. »Ich kenne sie auch nicht, ich habe nur von ihr gelesen. Aber ich habe Angst.«
    »Dann bleiben Sie in Algier, Jacqueline. Ich fahre allein nach Biskra.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Angst um mich, ich habe Angst um Sie, Doktor.«
    Er spürte, wie ihr Arm leicht seine Schulter drückte. Ein Zittern durchlief sie. Er fühlte es und war einen Augenblick versucht, sie zu küssen. Es war Wahnsinn, das zu tun. Er sah es ein, aber etwas in seinem Inneren drängte ihn mit Macht dazu, sie in seine Arme zu nehmen. Er richtete sich auf und strich sich über die Augen. Vom Meer her wehte ein kühler Wind und rauschte in den Fächerkronen der Palmen.
    »Wollen wir gehen, Jacqueline?« fragte Dr. Handrick mit großer Beherrschung.
    Sie nickte und hakte sich bei ihm unter.
    »Es bleibt also dabei«, sagte er, um sich abzulenken. »Sie fahren nach Biskra, und ich mache einen Umweg über Bou Saâda. In wenigen Tagen komme ich nach Biskra nach. Bis dahin können Sie labortechnisch alles vorbereitet haben.«
    Jacqueline drückte seinen Arm. »Sie sind ein schrecklich nüchterner Mensch, Doktor«, sagte sie. »An einem solchen Abend sprechen Sie von der Arbeit!«
    Sie gingen langsam die Bergstraße hinab in die leuchtende Stadt, hinein in die Menschenmenge, die die Straßen füllte. Sie sprachen kein Wort mehr, aber sie spürten, wie ihr Inneres aufgerissen schien und frei war für eine Saat, die schneller wuchs als alles andere auf der Welt. Und deshalb schwiegen sie und gingen Arm in Arm durch die lauten Straßen.
    An dem Nachmittag, an dem Dr. Handrick mit dem Wüstenbus der Verkehrsgesellschaft SATAG in den Atlas, nach Bou Saâda am Rande der Sahara, fuhr, erlebte in Fort III Hauptmann Prochaine die größte Überraschung seines Lebens.
    Es klopfte an seine Tür, und als er sie öffnete, stand Leutnant Grandtours davor.
    Er stand da, verkommen, zerrissen, mit einem Verband um die Stirn, schmutzig, ein Leichnam, der geht. In seinen Augen lag

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