Die Straße
machen wir jetzt?
Folgen wir ihm einfach. Mal sehen, ob er sich umdreht.
Okay.
Der Wanderer hielt es offenbar nicht für nötig, gelegentlich zurückzublicken. Sie folgten ihm eine Zeit lang, dann überholten sie ihn. Ein alter Mann, klein und gebeugt. Er trug einen alten Armeerucksack, auf dem eine Deckenrolle festgeschnallt war, und tappte mit einem geschälten Ast als Stock dahin. Als er die beiden sah, trat er an den Straßenrand, drehte sich zu ihnen hin und blieb wachsam stehen. Er hatte sich ein schmutziges Handtuch so um den Kopf gebunden, als litte er unter Zahnschmerzen, und roch selbst nach ihren Neue-Welt-Maßstaben fürchterlich.
Ich habe nichts, sagte er. Ihr könnt nachsehen, wenn ihr wollt.
Wir sind keine Räuber.
Er reckte ihnen ein Ohr entgegen. Was?, rief er.
Ich habe gesagt, wir sind keine Räuber.
Was seid ihr dann?
Darauf wussten sie keine Antwort. Er wischte sich mit dem Handrücken die Nase und blieb weiter abwartend stehen. Er hatte keinerlei Schuhe, die um seine Füße gewickelten Lum-pen und Pappstücke waren mit grünem Bindfaden fixiert, und durch die Risse und Löcher sah man zahlreiche Schich- ten schmutzigen Stoffs. Ganz plötzlich schien er noch weiter zu schrumpfen. Auf seinen Stock gestützt, ließ er sich auf die Straße sinken, wo er, eine Hand auf dem Kopf, in der Asche sitzen blieb. Er sah aus wie ein von einem Karren gefallenes Lumpenbündel. Sie kamen näher und blickten auf ihn hinab. Sir?, sagte der Mann. Sir?
Der Junge ging in die Hocke und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er hat Angst, Papa. Der Mann hat Angst.
Er blickte die Straße auf und ab. Wenn das ein Hinterhalt ist, erwischt es ihn als Ersten, sagte er.
Er hat bloß Angst, Papa.
Sag ihm, dass wir ihm nichts tun.
Die Finger in das schmutzige Haar gewühlt, bewegte der Alte den Kopf hin und her. Der Junge blickte zu seinem Vater auf.
Vielleicht denkt er, wir sind nicht wirklich.
Was denkt er denn, was wir sind?
Ich weiß nicht.
Wir können nicht hierbleiben. Wir müssen weiter.
Er hat Angst, Papa.
Ich finde, du solltest ihn nicht anfassen.
Vielleicht könnten wir ihm etwas zu essen geben.
Er wandte den Blick ab, ließ ihn die Straße hinuntergehen. Verdammt, flüsterte er. Er schaute auf den Alten hinab. Vielleicht würde er sich in einen Gott und sie in Bäume verwandeln. Na gut, sagte er.
Er löste die Plane, schlug sie zurück, durchwühlte die Konservendosen, förderte eine Dose Obstsalat zutage, zog den Dosenöffner aus der Tasche, öffnete die Dose, klappte den Deckel zurück, ging zu dem Jungen hinüber, hockte sich neben ihm nieder und reichte sie ihm.
Wie steht̕s mit einem Löffel?
Einen Löffel kriegt er nicht.
Der Junge nahm die Dose und reichte sie dem Alten. Nehmen Sie das, flüsterte er. Hier.
Der Alte hob den Blick und sah den Jungen an. Der Junge hielt ihm die Dose hin. Er wirkte wie jemand, der einen am Straßenrand liegengebliebenen Geier zu futtern versucht. Nur zu, sagte er.
Der Alte nahm die Hand vom Kopf. Er blinzelte. Graublaue Augen, halb zwischen den dünnen, schmutzigen Falten seines Gesichts verborgen.
Nehmen Sie das, sagte der Junge.
Der Alte griff mit seinen knochigen Krallen nach der Dose und drückte sie sich an die Brust.
Essen Sie das, sagte der Junge. Es ist gut. Er deutete mit den Händen Kippbewegungen an. Der Alte senkte den Blick auf die Dose. Er packte sie fester, hob sie, zog die Nase kraus. Seine langen gelben Klauen kratzten über das Metall. Dann kippte er die Dose und trank. Der Saft rann ihm durch den schmutzigen Bart. Er senkte die Dose, kaute mühsam. Beim Schlucken ruckte er mit dem Kopf. Sieh mal, Papa, flüsterte der Junge.
Ich sehe es, sagte der Mann.
Der Junge drehte sich zu ihm um und sah ihn an.
Ich weiß, was du fragen willst, sagte der Mann. Die Antwort lautet nein.
Was will ich denn fragen?
Ob er bei uns bleiben kann. Er kann nicht.
Ich weiß.
So?
Ja.
Na gut.
Können wir ihm noch etwas geben?
Warten wir erst mal ab, wie er damit zurechtkommt.
Sie sahen ihm beim Essen zu. Als er fertig war, behielt er die leere Dose in der Hand und schaute hinein, als könnte darin noch mehr zum Vorschein kommen.
Was willst du ihm geben?
Was meinst du denn, was er bekommen soll?
Ich finde, er soll gar nichts bekommen. Was willst du ihm geben?
Wir könnten mit dem Kocher etwas heiß machen. Er könnte mit uns essen.
Du sprichst vom Haltmachen. Für die Nacht.
Ja.
Er blickte auf den alten Mann hinab, dann zur
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