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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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einander vorbei. Wichtiger indessen war's, daß sie einander fast zur gleichen Zeit auch wieder entdeckten (kaum eine Woche übrigens nach des Rittmeisters Einschiffung). Denn mit jenem letzten Umstande hatte die Verbindung ihre Festigkeit und die Gunst der Sterne, unter welchen sie stand, erwiesen.
    Editha hat nun freilich bald nach ihrer Ankunft die Hoffnung fallen gelassen, in der Schwester sozusagen auf direktem Wege die Sehnsucht nach der alten Heimat erwecken zu können. So sprach sie denn in ein anderes Ohr, nämlich in das des Enrique Scarlez, und in eines, auf dem er wohl hören mußte. Das Pastré'sche Vermögen, fast ganz in Schweizer Währung und Werten sich ausdrückend – auch was er in Wien erworben und zuletzt den großen Erlös aus dem Simmeringer Werk, das mangels eines Nachfolgers verkauft worden war, hatte der Vater Pastré wieder in seine alte Heimat, nämlich nach Genf verbracht – jenes Vermögen war nach dem Weltkriege und dem Untergange des österreichischen Kaiser-Staates kaum einer Wertverminderung unterlegen. Zusammengenommen mit dem, was wir schon durch den Sektionsrat (damals Präsidialisten) Geyrenhoff erfahren haben, war dies alles in allem keine Sache, die ein normaler Mensch außer acht lassen kann oder auf die er verzichten würde. Das Postament aber, von dem aus Editha hier für die Europa-Reise ihrer Schwester bei deren Gatten agierte und agitierte – neben die Pietät noch die Notwendigkeit einer Sicherung von Mimis Erbansprüchen stellend – jenes Postament erschien um so fester und höher, als es aus nichts anderem bestehen konnte als aus selbstloser und schwesterlicher Liebe.
    Nun denn: alles das kam zur Sprache in dem hellen Zimmer mit den weißlackierten Flügeltüren und den Supra-Porten mit Trauben und Engeln, ebenfalls weißlackiert, und dem fernen, besonnten Kahlenberg im Fensterrahmen: während der Rittmeister teils leise, teils laut grunzend, teils ärgerlich, teils fast verzweifelt zwischen den gedoppelten Damen hin und her lief wie der Hase zwischen dem Igel und seiner Frau; und wirklich saß an diesem Samstag-Nachmittage, dem 29. August 1925, Mimi am einen Ende des Zimmers beim kleinen weißen Sekretär, Editha am anderen Ende vor der Flügeltüre in einem zum Teetische gehörenden Sessel (es war der gleiche, in welchem Thea Rokitzer unter Mimis Ohrfeigen am 11. Juli zusammengebrochen war). Und wirklich, man wird jetzt verstehen, daß der Rittmeister sich gezwungen sah, sein Zusammentreffen mit der zurückgekehrten Rokitzer telephonisch auf den Abend zu verschieben, wo er obendrein Gäste haben sollte. »Wenn ich das schon einmal will und Mimi mir gleich nach der Ankunft zugesagt hat, daß sie mir in der Angelegenheit helfen wird …«
    »Zujesagt, zujesagt!« rief Eulenfeld (daß er mit einer dialekthaften Aussprache herumspielte, zeigt uns seine Verfassung und Laune als vorläufig noch passable an – Frau Wöss hatte ein korrekteres Deutsch zu hören bekommen). »Du hast sie einfach überrannt, wie's eben ihr gegenüber deine Manier ist. Kennimus. Penetrant wie ein Drillbohrer, da gibt's nichts. Was soll sie denn sagen als ja, ja! Und überhaupt ist hier alles geschehen, um deine ebenso blödsinnigen wie hahnebüchenen Wünsche zu erfüllen. Daß etwas nicht gleich klappt, das kann ja wohl einmal vorkommen.« Er grunzte. Das konnte auch ein Zeichen dafür sein, daß er sich bald anschicken würde, das gemütliche Gebiet des Mundartlichen zu verlassen. »Scheichsbeutel besorgt dir jetzt alles«, fügte er hinzu.
    »Der hat mir grad noch gefehlt, diese Sch…figur«, schrie Editha (so wörtlich). »Was hab' ich von den Sachen, wenn ich nicht weiß, was ich dann damit machen soll?!«
    »Naja«, sagte der Rittmeister ruhiger, ja gelassen-hämisch, »die Salzburger Mätzchen en deux dürften allerdings auf solche Quantitäten kaum anwendbar sein. Wenn man an der Zollbarriere erscheint mit einem harmlosen Köfferchen, das man gleich öffnet, um seine drei Bürstchen und zwei Flakons zu zeigen – für so was hat der Zöllner nicht Zeit: aber sieh da! Plötzlich kommt das Schwesterchen angelaufen, ganz ebenso gekleidet! Ein rührendes überraschendes Zusammentreffen, in der Tat. Und ganz das gleiche Köfferchen. Freilich, da staunt alles über die Zwillings-Schwestern, von denen die erste im Nu das Köfferchen der zweiten erwischt hat, die nun scheinheilig ihrerseits das schon einmal kontrollierte kleine Gepäckstück darbieten will mit der artigen Bemerkung: ›Ich

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