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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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qualmende Zigarette und meinte: „Probieren Sie doch mal die da. Das ist ein gutes Kraut. Nichts für Nervöse, natürlich nicht, aber auch nichts für Kraftmeier.“ Und er hielt mir eine seiner hellfarbenen Zigarren hin.
    Ich nahm sie ohne ein Wort, und wenn ich auch nie in mei nem Leben ein Zigarrenraucher war und auch späterhin keiner geworden bin, ja sogar genötigt war, mir das Rauchen gänz lich abzugewöhnen, was allein schon bitter genug war, so hielt ich jetzt doch tapfer durch und versuchte zumindest auf den Geschmack zu kommen.
    „Wir sind immer so schrecklich tüchtig und mutig und einsatz- bereit, wenn Sie verstehen, was ich meine“, sagte Nordin je doch leise. „Wir reden immer von Mut, wenn wir statt dessen einfach eingestehen sollten, daß wir irgendeine Sache bloß nicht wissen. Es ist einfach leichter, in eine unbekannte Gefahr zu rennen und darin womöglich auch umzukommen, als sich viel leicht klarzumachen, daß es eben eine Gefahr ist und daß man ihr unter Umständen nicht gewachsen sein könnte.“
    „Wir müssen die vier aber doch wirklich zurückholen“, erwiderte ich ebenso leise. „Wollen Sie denn tatsächlich erst ihre Pflanzen zählen und darüber riskieren, daß die Männer viel leicht gerade in dieser, ihrer Zählstunde, ihr Leben tatsächlich verlieren?“
    „Gerade das eben nenne ich Mut“, sagte Nordin. „Ich will nie manden umkommen lassen, keinen einzigen, aber wir sollten nicht die Lebensretter um jeden Preis spielen wollen, wenn die ser Preis vielleicht darin besteht, daß wir nicht nur diese vier niemals zurückholen können, sondern ihnen auch noch ein paar weitere hundert Leben hinterdrein opfern müssen. Und ich rede nicht nur von unserem Leben.“ Er lachte halblaut auf. „Kämp fen – das kann schwer und schlimm und hart sein, aber es ist dennoch immer nur das Dümmste und Primitivste, und das Erste und Letzte zugleich. Der Kampf stand am Anfang der Zivilisa tion, eigentlich noch in ihrem Vorfeld, und er steht auch am Ende einer Zivilisation, nämlich immer dann, wenn man sich nicht mehr zu helfen weiß, und das heißt eigentlich nichts anderes, als daß man zu feige geworden ist und zu bequem, um nachzudenken. Denken aber ist bitter und qualvoll oft, und es schafft tödliche Einsamkeit.“
    „Ich verstehe Sie nicht“, sagte ich langsam. „Glauben Sie denn, daß unser Problemator einsam ist? Oder glauben Sie, falls er nicht einsam ist, daß er dann nicht denkt?“
    „Er ist einsam“, sagte Nordin, und das klang so endgültig, daß ich mich unwillkürlich an den Ausdruck auf Baskows Gesicht erinnern mußte, als wir gemeinsam im Steiggleiter zur Station hinabgeflogen waren und er mit dieser beklemmenden Traurig keit ausgerufen hatte: „Ach, wie wollte ich Tantalus umarmen, wenn ich nur wüßte, daß er wirklich lebt!“
    Irgendwas rührte mich kalt an und legte sich mir schwer auf die Brust. „Nordin“, sagte ich unruhig, „hier ist doch niemand leichtfertig oder mutwillig oder auch nur aus Feigheit oder Faul- heit ein Held. Aus Angst vielleicht, ja“, und ich dachte flüchtig an Kraneis, „aber doch nie, weil er anders sich selbst vielleicht verneinen müßte, wenn nun Sie verstehen, was ich meine.“
    Nordin winkte still ab. „Nicht das! Nicht das! Ich habe nichts gegen ein kalkuliertes Risiko, wohl aber etwas gegen den Un glauben, daß man sich einmal verkalkulieren könnte. Wir schauen auf unsere Instrumente und vertrauen ihnen, weil wir gelernt haben, unserem Vertrauen zu vertrauen. Wir sind aber nicht bereit, uns einzugestehen, jedenfalls meistens nicht, daß zehn Grad Celsius auf Erden unter Umständen etwas ganz anderes aussagen können als die gleichen zehn Grad auf Tanta- lus.“
    „Ich ahne, was Sie ausdrücken wollen. Das Von-außen-zu- uns-selbst-Herblicken vielleicht. Das Denken in neuen, unge wohnten und ungekannten Bahnen.“
    „Ich meine“, sagte Nordin, „den Zweifel. Den Zweifel an uns selbst zuerst, dann den an den sogenannten Fakten und schließlich den daran, was sich aus beidem als das gemeinhin als das Logische bezeichnet ergibt. Ganz anders formuliert: Wenn ein Mann verschwindet, ist er vielleicht gar nicht verschwunden, nicht so jedenfalls, wie wir den Begriff ’verschwinden’ norma lerweise und oberflächlich verstehen. Sie glauben, daß sie fort geschafft worden sind, die vier, aber auch der Wall um die alte Station ist ja, nachdem er emporgewachsen war, wieder ver schwunden, doch der ist nicht ’fortgeschafft’

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