Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
ein. Stöhnend vergrub ich mich unter dem Kopfkissen.
»Gehst du ran?« Ben klang verärgert.
»Wie spät ist es?«
»Früh.«
Und das verdammte Telefon klingelte immer weiter. Ich griff danach und warf einen Blick auf die Anruferkennung. Die Nummer meiner Eltern leuchtete im Display auf. Es war Dienstag, nicht Sonntag. Mom würde nicht anrufen, wenn nicht Sonntag war. Es sei denn, etwas stimmte nicht.
Ich drückte auf die Sprechtaste. »Hallo?«
»Kitty?«, antwortete mein Vater.
Ich setzte mich auf. Etwas stimmte tatsächlich nicht. Ich liebte meinen Dad, und wir kamen fantastisch miteinander aus - jedenfalls seitdem ich von zu Hause ausgezogen war. Doch er rief mich nie an. Auf einmal hatte ich eine Gänsehaut an den Armen.
»Dad, hi.«
Ben stützte sich auf den Ellbogen und beobachtete mich mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. Wahrscheinlich hatte er meiner Stimme etwas angemerkt, sowie der Art, wie sich mein gesamter Körper versteift hatte.
»Kannst du herkommen? Heute noch?«
»Was ist los? Was ist passiert?«
»Deine Mutter muss ins Krankenhaus.«
»Was?« Meine Stimme hatte einen viel zu gellenden Ton angenommen. »Warum, weswegen denn?« Bens Hand wanderte zu meinem Bein, eine tröstliche Berührung.
»Hat sie dir erzählt, dass sie letzte Woche eine Mammographie hat machen lassen?«
»Nein. Moment mal - wie lange weiß sie das schon?« Während unseres Telefonats am Sonntag hatte sie gewusst, dass etwas nicht stimmte, und hatte mir nichts gesagt. Auf einmal brannten meine Augen schmerzhaft.
Dad holte tief Luft - ein beruhigender Atemzug, die Vorbereitung auf eine Erklärung. Es konnte nicht so schlimm gewesen sein, sagte ich mir. Wenn Dad Ruhe bewahren konnte, konnte es nicht so schlimm sein.
»Sie ist dort gewesen, weil sie einen Knoten gefunden hat«, sagte er. »Es könnte nichts sein. Sie werden ihn entfernen und Tests machen. Sie wird bloß über Nacht dort bleiben. Es ist eine reine Routinesache.«
Versuchte er mich zu überzeugen oder sich selbst?
Dad fuhr fort: »Sie wollte nicht, dass ich es dir erzähle. Sie meinte, sie will keine Umstände machen für den Fall, dass nichts dran ist an der Sache. Aber ich glaube, es würde ihr viel bedeuten, wenn du hier sein könntest.«
Wenn nicht für sie, dann für ihn. Vielleicht wäre die Last der Angst und Ungewissheit einfacher zu ertragen, wenn mehr Leute da wären, um sie zu schultern.
»Ja, klar, ich komme. Wie viel Uhr? Wo?« Ich ging auf der Suche nach Stift und Papier mit dem Handy nach nebenan, wurde fündig und kritzelte Dads Wegbeschreibung auf
einen Zettel. Wiederholte sie ihm. Alltägliche Einzelheiten betäubten das Gehirn.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagte er. »Ich hätte nicht angerufen, wenn ich es nicht für wichtig hielte.«
»Nein, ist schon gut, ich bin froh, dass du angerufen hast. Dad - wie geht es dir?«
»Alles wird wieder gut. Wir gehen ins Krankenhaus und lassen die Sache erledigen, und alles wird wieder gut.« In seiner Stimme schwang Verzweiflung mit. Er sagte die Worte, als glaubte er, sie zu sagen, würde sie wahrmachen.
»Das war nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage.«
Nach einer Pause sagte er: »Ich halte durch. Im Moment geht es nur um Mom.«
»Ja. Ich komme. Ich fahre gleich los.«
»Bis bald.«
Wir legten auf. Ich warf das Handy beiseite und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Dann kramte ich im Schrank nach Kleidung. Meine Hände zitterten.
»Kitty?« Ben beobachtete mich vom Bett aus.
»Ich muss nach Denver. Sofort.«
»Einfach so? Das Exil ist vorbei?«
»Ben - es geht um meine Mutter.«
»Ich weiß, das habe ich mitbekommen.«
Ich überlegte, ob ich duschen sollte, um richtig aufzuwachen. Nein, zu lang. Kleidung - Jeans, T-Shirt. Nein, etwas Hübscheres. Bluse. Ich zog mich rasch an. Steckte mir die Haare hoch.
Ben zog sich ebenfalls an. Er folgte mir zur vorderen
Hälfte des Hauses, sah zu, wie ich nach meiner Tasche griff, auf der Suche nach Schuhen herumhetzte - dann nahm er mir die Autoschlüssel aus der Hand.
»Ich fahre«, sagte er.
»Du musst nicht mitkommen.«
»Kitty - du bist fix und fertig. Ich fahre.«
Ich brach in Tränen aus. Ben hielt mich. Es dauerte nur eine Minute, dann riss ich mich wieder zusammen. Keine Zeit für Panik. Keine Zeit für Verzweiflung.
Zehn Minuten später befanden wir uns auf dem Weg nach Norden.
Drei
Durch den morgendlichen Berufsverkehr brauchten wir drei Stunden bis nach Denver. Ben wusste, wo das Krankenhaus war,
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