Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
sie keinen Kampf anfangen. Ich begann, mich zu entspannen. Die alten Ängste verblassten allmählich. Sie spuckte bloß große Töne. Aber vor allem hatte sie einfach Unrecht.
»Bist du je schwanger gewesen?«, fragte ich spontan, aus reiner Neugierde. Ich wollte es einfach wissen.
Sie lachte beinahe. »Werwölfe werden nicht schwanger. Wir können nicht schwanger werden.« Sie sagte es triumphierend, als habe ich soeben mein Wissensdefizit zur Schau gestellt, und sie reibe es mir gern unter die Nase.
Ich lächelte traurig. Mir fielen wieder Dr. Shumachers Worte ein, dass die meisten Lykanthropinnen es einfach nie merkten, wenn sie schwanger wurden. Vielleicht wusste Meg es bloß nicht.
»Du liegst falsch. Wir können schwanger werden. Die Schwangerschaft übersteht den Gestaltwandel nicht. Man bekommt vielleicht gar nichts mit.«
Verblüfft starrte sie mich an, als hätte ich ihr eine Ohrfeige versetzt. Wie viele benebelte Morgen voller Krämpfe kamen ihr wieder in den Sinn? Wie oft hatte sie es lediglich auf einen unregelmäßigen Zyklus geschoben? Ich wollte es gar nicht wissen.
»Meg, du weißt nichts, du bist ein Dummkopf, und dass ich hier hereinspaziere und den Laden übernehme, hat nichts damit zu tun, dass ich berühmt bin, sondern damit, dass du völlig nutzlos bist. Sowohl du als auch Carl.« Es gelang mir, das alles zu sagen, ohne die Stimme zu erheben.
Knurrend setzte sie ihren Rückzug fort.
Erst als wir hörten, wie sie die Wagentür zuschlug, den Motor anließ und vom Parkplatz fuhr, atmete Ben aus und ließ die Waffe sinken. Ich setzte mich mitten auf den Gehsteig, weil meine Knie ganz weich geworden waren. Reine Willenskraft hatte mich auf den Beinen gehalten, doch schließlich gewannen doch Blutverlust und Nerven die Oberhand.
Ben kniete sich neben mich und legte mir die Hand auf die Schulter. »Alles okay?«
Ich lehnte mich an ihn. »Was ich da gesagt habe, dass ich die Scherben aufgesammelt habe und wir deshalb zusammen sind - das ist nicht alles. Ich meine, da ist mehr zwischen uns, stimmt’s?«
»Darüber sollten wir uns später unterhalten«, sagte er mit einem Blick auf meine Schwester, die vor uns stand und mit aufgerissenen Augen zu uns hinabblickte.
»Um was genau ging es da eben?«, fragte Cheryl, mittlerweile sogar noch hysterischer, obwohl das eigentlich unmöglich zu sein schien.
»Ich habe doch gesagt, dass es eine lange Geschichte ist«, seufzte ich, während Ben mich auf die Beine zog.
»Nein, nicht die Schwierigkeiten. Nicht nur die. Ich meine das mit dem Schwangersein.«
Ich war davon ausgegangen, dass Mom es ihr erzählt hatte, aber anscheinend war dem nicht so. Es gelang mir noch nicht einmal, Cheryl anzusehen. Ben zog mich nahe an sich und küsste mich auf die Haare, über meinem Ohr.
»Bist du schwanger?«, fragte sie.
Ich lächelte dünn. »Nicht mehr.«
»O nein. Das tut mir leid.« Die Worte galten uns beiden, und sie klang traurig.
Ich ergriff ihre Hand und drückte sie. Sie erwiderte meinen Druck, und unser Streit löste sich in Luft auf. »Cheryl, es herrscht gerade so etwas wie ein Krieg. Du musst nach Hause fahren und drinnen bleiben. Sorg dafür, dass alle im Haus bleiben. Lasst niemanden herein, es sei denn, ihr kennt denjenigen wirklich gut. Solltet ihr jemanden ums
Haus schleichen sehen, sollte euch irgendetwas merkwürdig vorkommen - sollte sich auch nur etwas merkwürdig anfühlen -, ruft 911 und sagt der Polizei, bei euch zu Hause sei ein Eindringling. Zögert keine Sekunde.«
»Was …«
Ich hielt die Hand hoch, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie würde erneut fragen, was los war. »Diese Frau da und ein paar andere Leute würden mich liebend gern umbringen, sollte sich ihnen die Möglichkeit bieten. Das werden wir nicht zulassen.«
»Kitty …«
»Wo ist Dad? Ist er zu Hause?«
»Nein, er wohnt bei uns, während Mom im Krankenhaus liegt.«
»Gut. Es wird alles gut. Ich rufe dich später an. Mom werde ich besuchen, sobald ich kann.«
»Okay«, sagte sie und klang auf einmal ganz klein und jung. Dann umarmte sie mich, trotz der ganzen Blutflecken. »Sei vorsichtig.«
»Du auch.«
Wir sahen ihr nach, wie sie zu ihrem Auto zurückging und losfuhr. Ben hielt die ganze Zeit über die Waffe in der Hand, falls noch etwas in den Schatten lauern sollte. Ohne ein Wort zu verlieren, betraten wir das Haus. Ich schaffte es unter die Dusche. Über meiner Brust befand sich runzelige Haut an der Stelle, an der sich die Einschusswunde befunden
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