Die Stunde Der Jaeger
Cormac es auch. Ich weià bis heute nicht, ob es meine Argumente waren, die ihn überzeugten. Oder ob wir einfach schon so lange aufeinander aufgepasst hatten â wir waren damals schon so etwas wie ein Team.
Dad rief mich direkt vor dem letzten Prozess an. Ich war gerade als Anwalt zugelassen worden. Er wollte von mir vertreten werden. Ich lehnte ab. Ich hätte selbst dann abgelehnt, wenn wir uns gut verstanden hätten. Er brauchte wirklich jemanden mit Erfahrung. Doch Dad sah nur, dass sein einziger Sohn, sein eigen Fleisch und Blut, ihm den Rücken kehrte. Das Komische daran ist, dass ich ihn von seinem Irrtum überzeugen wollte. Es gab kein Komplott der Regierung, um ihn dranzukriegen, ich wollte ihn nicht verraten und verkaufen. Doch sämtliche Ereignisse, von den Telefongesprächen, die das FBI abgehört hatte, bis zu meinem Weggang, bekräftigten ihn in seinem Irrglauben. Er ist nicht mehr zu retten.«
»Du hast ihn nicht besucht. Du hast in der Zwischenzeit überhaupt nicht mit ihm gesprochen«, sagte ich. »Möchtest du das? Meinst du, du solltest?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe völlig mit der Vergangenheit
gebrochen. Es ist besser für uns alle, wenn das so bleibt. Cormac und ich haben im Grunde immer gewusst, dass etwas aus seiner Vergangenheit ihn einmal heimsuchen würde. Ich habe bloà nicht damit gerechnet, dass es dies sein würde.« Er warf die ausgedruckten Artikel zurück auf den Tisch.
»Wo ist deine Mom?«
»Sie hat sich nach dreiÃig Jahren Ehe von ihm scheiden lassen, hat die Ranch verkauft, um für seine Anwaltskosten aufzukommen, und arbeitet jetzt als Kellnerin in Longmont. Und das ist die ganze Geschichte meiner heruntergekommenen, verkorksten Familie.« Geistesabwesend schüttelte er den Kopf. »WeiÃt du, was mich immer beschäftigt hat? Mein Dad und ich sind eigentlich gar nicht so unterschiedlich. Es ist unsere Herkunft, diese ganze unabhängige ländliche Kultur. Ich kann mich noch erinnern, wie ich ihm sagte, ja, sicher, stürzt die Regierung und gebt die Macht wieder dem Volk. Das ist groÃartig. Aber man macht es nicht mit Hilfe von Dynamit und Hasstiraden. Ich â ich studierte Jura. Dachte, ich knacke das System von innen, ziehe den Gegner über den Tisch.« Sein Lächeln wurde traurig. »Vielleicht hatten wir beide Unrecht.«
Am liebsten hätte ich ihn umarmt und törichte gurrende Geräusche von mir gegeben. Wieder die Sache mit der Mom. Er sah so traumatisiert aus. Stattdessen hob ich die Einkaufstüte hoch. »Ich habe Bier mitgebracht.«
»Meine Heldin«, sagte er lächelnd.
Wir setzten uns, um uns Bier und Pizza schmecken zu lassen. »Woran hast du gearbeitet?«
»Präzedenzfälle«, sagte er. »Man möchte meinen, in einem Staat, in dem die halbe Bevölkerung eine Waffe im Handschuhfach hat, wäre so was schon einmal vorgekommen. Wir haben ein Gesetz, das regelt, in welchen Fällen man Einbrecher in seinem Haus abknallen darf, verdammt noch mal! Aber es gibt nicht allzu viel, wenn man etwas erschieÃt, weil man es für ein wildes Tier hält, es sich aber als Mensch herausstellt.«
»Abgesehen von dem Werwolf, der Cormacs Dad umgebracht hat.«
»Es wird Cormacs Sache überhaupt nicht helfen, sollte der Staatsanwalt diese Sache ausgraben; von daher wäre es wirklich gut, wenn du nicht die Aufmerksamkeit darauf lenkst. Richter werden nervös, wenn seltsame Dinge denselben Leuten mehrfach zustoÃen.«
Ich tat so, als würde ich mir den Mund mit einem unsichtbaren Schlüssel zusperren. »Meine Lippen sind versiegelt.«
Er bedachte mich mit einem äuÃerst skeptischen Blick. Ich wollte schon widersprechen â da fiel mir ein, dass ich es streng genommen nicht konnte. Wir aÃen und tranken eine Weile schweigend. Er starrte auf den Computerbildschirm, als werde dieser gleich Wunder offenbaren.
»Wie ist dein restlicher Tag verlaufen?«, fragte ich, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich es wissen wollte.
»Ganz gut, glaube ich.« Doch sein Tonfall war ambivalent, und er sah immer noch erschöpft aus, nicht enthusiastisch. »Tony wird hierbleiben und aussagen, Alice ist ganz begeistert von der Aussicht, als Zeugin aufzutreten. Sie scheint der Ansicht zu sein, dass sie dir einen Gefallen
schuldet. Aber weiÃt du was? Ich stehe immer wieder vor demselben
Weitere Kostenlose Bücher