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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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und schlüpfte in Hippolytes weißen Bademantel, der ordentlich auf einem Kleiderbügel am Haken hing. Hippolyte hatte immer streng auf Ordnung geachtet, das hatte von Anbeginn der Ehe zu Spannungen und Streitereien geführt.
    Bevor Bérénice nach unten ging, fuhr sie sich mit der Bürste durch die Haare und tupfte sich Parfum auf den Hals, die Handgelenke sowie in die Kniekehlen. Wieder zog sie ihre Lippen mit dem tiefroten Stift nach.
    »Bist du fertig?«, rief Hippolyte ungeduldig.
    »Ich komme sofort«, antwortete sie, zögerte aber noch. Sie konnte nicht widerstehen und zog die Tür des knarrenden Schranks auf. Sie sah alles rasch durch, hob sogar die korrekt gestapelten Handtücher hoch, doch nirgends gab es ein Anzeichen einer weiblichen Anwesenheit. Nicht einmal eine Zahnbürste stand in dem zweiten Glas auf der Ablage. Auch in dem kleinen Kasten, in dem Hippolyte seine Toilettensachen aufbewahrte, fand Bérénice nichts Entsprechendes.
    Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Hippolyte nachspionierte. Eigentlich ging es sie überhaupt nichts mehr an, aber trotzdem fühlte sie sich erleichtert, als sie nichts entdeckte. Offensichtlich wohnte hier keine junge Deutsche, wie ihre Mutter behauptet hatte. Als Bérénice zur Tür ging, sah sie Hippolytes blauen Pullover auf dem Wäschekorb liegen. Es gab diesen Pullover also noch. Bérénice hatte ihn Hippolyte vor acht Jahren geschenkt, auf einer Reise nach Irland. Sie nahm ihn hoch und presste ihr Gesicht in die weiche Wolle. Sie atmete Hippolytes Geruch ein und schloss die Augen. Der Pullover erinnerte sie an ein Erlebnis in Irland, als sie bei strömendem Regen mit dem alten Mietwagen in einer sumpfig weichen Wiese stecken geblieben waren. Bérénice lachte in Gedanken daran auf: Plötzlich war eine Kuhherde aufgetaucht und gezielt auf ihr Auto zugetrampelt. Bérénice hatte aufgeschrien, doch direkt vor dem Wagen bremsten die Kühe und starrten neugierig zu ihnen hinein. Als die Schrecksekunde vorbei war, lachten Bérénice und Hippolyte und konnten kaum mehr aufhören. Es wurde bereits dunkel, und die Kühe drehten wieder um und trotteten über die Wiese davon. Irgendwann kam ein Bauer und bot ihnen ein Zimmer auf seinem Hof an: ein kleiner Raum mit einem schmalen Bett und großblumigen Tapeten. Dort verbrachten sie eine wunderbare Nacht. Und am nächsten Tag hatte Bérénice in einem kleinen Dorf in der Nähe für Hippolyte diesen Pullover gekauft. Selbst gestrickt von der Inhaberin des kleinen Ladens, aus Wolle von einheimischen Schafen, wie sie stolz erklärt hatte. Dachte Hippolyte noch an Irland, wenn er ihn trug?
    »Wo steckst du denn? Das Essen wird kalt.«
    Hippolytes Stimme riss Bérénice aus ihren Überlegungen. Schnell lief sie die Treppe hinunter in die große Küche. Hippolyte stand mit dem Rücken zu ihr am Herd. Er hatte ein Feuer im Kamin gemacht und auf den langen, dunklen Holztisch Teller und Gläser gestellt, dazu weiße Stoffservietten gelegt.
    »Ich habe deinen blauen Pullover gesehen, du hast ihn ja noch.«
    »Warum soll ich ihn nicht mehr haben?« Hippolyte warf einen kurzen Blick über die Schulter.
    »Nun, ich meine …«
    Hippolyte drehte sich zu ihr um und stellte eine Platte mit dem geschnittenen Fleisch auf den Tisch. »Du willst wissen, ob ich mich noch an Irland erinnere, stimmt’s?«
    Als Bérénice nickte, sah er ihr fest in die Augen. »Natürlich erinnere ich mich.«
    Er ging zum Herd zurück und holte die Rosmarinkartoffeln aus dem Backrohr. Bérénice setzte sich und betrachtete die Sträuße aus getrockneten Lavendelblüten und Rosmarin an dem Holzbalken über dem Tisch. Das war neu, stellte sie fest, das war etwas typisch Weibliches. Hippolyte stellte die Schüssel mit den Kartoffeln auf den Tisch. Er hatte noch frischen Salat zubereitet, den er auf kleine Teller verteilte, und zum Schluss schenkte er Rotwein in die Gläser, in denen sich der Schein des Kaminfeuers spiegelte. Als sie den ersten Schluck tranken, fuhr Bérénice mit einem Schrei von ihrem Stuhl hoch. Ein großer Hund kam unter dem Tisch hervorgekrochen, schüttelte sich und sah Bérénice mit einem unergründlichen Blick aus braunen Augen an.
    »Das ist nur Tristan. Er ist zahm und tut dir nichts.«
    »Seit wann hast du einen Hund?« Vorsichtig setzte Bérénice sich wieder und beobachtete Tristan, der jetzt aus einer Keramikschüssel Wasser schlabberte.
    »Er gehört mir nicht, ich habe ihn nur für eine Woche in Pflege.«
    War das der Beweis,

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