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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sich untereinander erwürgten;
    und ward ihm ein großes Schwert gegeben.
    (Offenbarung des Johannes 6,4)
    B eths Jammern war verklungen.
    Im beißenden Wind, in der Müdigkeit, vielleicht hatte sie tatsächlich auch aufgehört, sich zu beschweren – über die Eile, über die Unbequemlichkeit,und über das verfluchte Reittier, das nicht aufhören wollte zu bocken, weswegen sie unterwegs Halt gemacht und sie mit ihrem Mantel am Pferd festgebunden hatten. Die dicken Knoten fand das Pferd noch unbehaglicher als die große Frau, aber sie rutschte nun nicht mehr auf seinem Rücken herum. Irgendwann gab das Tier das Bocken auf und lief stattdessen mit Katzenbuckel, was ihm neue Flüche eintrug, die schließlich in der Klage gipfelten: »Ich bin nur eine einfache Frau, was reite ich hier eigentlich in der Gegend herum!«
    Christina fühlte sich auf ihrem Pferd wie zuhause. Es gab da eine stumme Verbindung zwischen ihr und dem Tier, und sie erinnerte sich an eine Bemerkung Katalins, wonach der táltos in den alten Zeiten stets mit einem Pferd gesehen worden war. Katalin hätte ihr noch mehr erzählen können. Doch sie hatte all die Geschichten um den táltos und die Fähigkeiten, die in Christina wohnten, mit ins Grab genommen. Nun würde Christina nie erfahren, was genau es mit dem Pferd auf sich hatte und warum Margaret nicht die gleichen Kräfte hatte wie sie. Sie lächelte traurig vor sich hin, während sie die üppige Mähne um ihre Hände wand. Dieses Tier war etwas Besonderes und ihr ähnlich verbunden wie der kleine Vogel, den sie aussenden konnte …
    Je weiter sie nach Süden kamen, desto milder wurde das Wetter. Beth führte sie in die Nähe des Meeres. Sie versicherte immer wieder, dass sie den Weg nach Jarrow kannte – doch niemand hatte je erwähnt, dass das Kloster am Meer lag! Trotz allem, was sie miteinander erlebt hatten, musste Christina doch immer wieder gegen das alte Misstrauen ankämpfen, dass Beth sie möglicherweise nur ausrauben wollte. Sie in irgendeiner düsteren Schlucht vom Pferd zerren, ihr die Kleider vom Leib reißen, das kostbare Buch an sich nehmen und sie hilflos im Schnee liegen lassen würde …
    Unsicher sah sie sich nach der Frau um, die sie nun seit Tagen begleitete, ohne sie zu kennen, auf einer Reise, deren Ziel sie ebenfalls nicht kannte – und deren Ausgang durchaus ungewiss war. Alles nur, um ihre furchtbaren Sünden mit guten Taten aufzuwiegen und ihre Buße abzumildern – um sich freizukaufen. Gott ließ sich doch auf solch einen Handel gar nicht ein. War Beth das denn nicht klar? Wild schüttelte sie den Kopf, um diese Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben.
    Das viele Reiten hatte nicht nur ihre Beine wund werden lassen, auch die Riemen, die das schwere Stundenbuch auf ihrem Rücken hielten, hatten tiefe Striemen in ihre Schultern gefressen. Als sie die Riemen vorsichtig verschob, brannten diese Striemen wie Feuer. »Schsch …« Sie sog Luft durch die Zähne ein, um Beth nicht zu wecken. Links neben dem Felsdach, wo sie vor der Dunkelheit Unterschlupf gesucht hatten, gurgelte ein kleiner Bach. Im Schein des Feuers blitzten winzige Wellen auf und versteckten sich wieder unter den schimmernden Nachfolgern. Sicher war der Bach im Sommer voller silbrig blinkender Forellen. Beim Gedanken an gesottenen Fisch und wie man ihn in London zubereitet hatte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Ein aromatisch gekochtes Wurzelgemüse hatte es gegeben, und in den Fisch hatte man getrocknete süße Früchte und kleine salzige Fische gestopft. Sie versuchte, die Gedanken zu vertreiben und sich an das karge Essen im Kloster zu erinnern. An den dünnen Haferbrei, den die Nonnen gekocht hatten. Manchmal hatte es einen Löffel Honig dazu gegeben, meist war der Brei jedoch nur etwas gesalzen gewesen. Mutter Eadburh hatte Stolz empfunden, dass in ihrem Kloster die Regeln des Benedikt weitaus konsequenter eingehalten wurden als in den Mönchsklöstern, bei denen man von wilden Schlemmereien selbst an Wochentagen und allgemein sündhaftem Tun erzählte. Damals war ihr das fromme Fasten leichtgefallen. Damals. Als ihre Welt noch eine Ordnung gehabt hatte. Das schien so endlos lange her zu sein …
    Leise verließ Christina die Feuerstelle und trat zu den Pferden. Beth hatte an jedem Ross eines ihrer Bündel befestigt – Christinas Pferd trug, wonach sie suchte: die merkwürdigen Tiegel mit den stinkenden Pasten, die sie bei Berwin ausgepackt hatte. Den Holztiegel, der noch am besten roch, schob

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