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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hierbleiben, Stina.« Der Satz rollte auf sie nieder wie ein Gewitter. Der Friede, der ihr gerade noch das Lager so weich gemacht hatte, stahl sich davon und ließ sie schutzlos zurück. Margaret schien das gleichgültig zu sein, denn sie sprach einfach weiter. Anscheinend war für sie der rechte Moment dafür gekommen.
    »Ich habe beschlossen, Edgar zu bitten, mich gehen zu lassen, solange er noch in der Lage ist, irgendetwas frei entscheiden zu können.«
    Stina drehte sich aus den Kissen zu ihr um. »Aber … du willst fort? Weg von hier? Wohin? Nimm mich mit, Magga!«
    Die Ältere studierte aufmerksam ihr Gesicht. »Stina, Gott hat mich gerufen, und ich möchte endlich ins Kloster. Ganz. Für immer.« Sie seufzte tief. »Mich macht dieses Leben auch so hoffnungslos … Das ewige Flüchten, ohne Heimat sein, nichts tun können … Nicht einmal beten kann man hier einfach so. Denk nur an diese furchtbare Kapelle! Ich halte das nicht mehr aus. Edgar weiß, dass es mich ins Kloster zieht, schon lange weiß er das. Mutter weiß es auch.«
    »Ich weiß es auch«, flüsterte Christina und nickte traurig. Und irgendwie war sie sehr erleichtert, dass die Tändelei mit dem König nichts Ernstes war, dass die Schwester nur gespielt hatte, wie es unter jungen Frauen üblich war. Sie war die Katze gewesen, und sie hatte trotz der Maus nicht vergessen, wo ihr Milchnapf stand.
    »Durch seine Unbedachtheit hat Edgar uns den Weg nach London verbaut, und nun steht sogar hier sein Ruf auf dem Spiel«, sprach die Schwester weiter. »Fällt er, weil niemand ihn weiter unterstützt, fallen wir alle, Stina. Ich würde so gerne in den Konvent von Wiltham zurück …«
    Christina schloss die Augen und beschwor die stillen Gänge der Klosterschule herauf. Den Kreuzgang, den Garten, die helle Kirche. Mutter Ælfgifu. Den Frieden, den Margaret dort gefunden hatte. »Er wird dich gehen lassen, Magga. Wir alle werden für dich bitten.« Sie öffnete die Augen und drehte sich zu der Schwester um. »Edgar liebt dich doch.«
    An diese Worte musste Christina denken, als der Bruder am nächsten Tag mit blassem Gesicht in die Frauenecke der Halle kam, wo man ihnen bequeme Bänke ans Feuer gerückt hatte, damit sie nicht immer in der Kammer hocken mussten. Im Waffenrock wirkte Edgar immer noch wie ein zu klein geratener Erwachsener, einer, dem man nicht erlaubt hatte, seine Kindheit zu Ende zu bringen, weil Wichtigeres auf dem Schicksalspergament stand. Doch Christina wusste, wie verbissen er seit Jahren mit seinem Schwert übte, dass er immer noch Felsbrocken hob und wie ein Besessener wilde Pferde ritt, um sich für Kämpfe zu stählen, die dann nie gekommen waren, weil er vor dem Eroberer hatte flüchten müssen. Und hier, in Schottland? Würde ihr schöner, tapferer Bruder hier zeigen können, was in ihm steckte?
    Agatha wollte ihren Sohn umarmen. Er schob sie zur Seite und marschierte zielstrebig auf Margaret zu, die für Christina eine verdrehte Spindel in die Luft hielt, während diese auf den Knien nach einem verloren gegangenen Wollbausch suchte. Mit energischen Handbewegungen scheuchte er auch die Mägde fort und packte Christina am Arm, damit sie mit zur Bank kam. Die Art, wie er sie anfasste, machte ihr Angst. Das tat er sonst nie so, irgendetwas war vorgefallen. Er brachte große Unruhe, das spürte sie sofort. Und lugte über seine Schulter hinunter in die Halle, wo die Männer beim Feuer saßen und würfelten. Ihr Blick begegnete dem des Königs. Christina erschrak.
    Etwas war vorgefallen.
    »Magga, ich muss mit dir reden«, kam Edgar ohne Umschweife zur Sache. »Der König bat mich vorhin zu sich.«
    »Der König«, raunte Agatha und machte große Augen. »Was wollte er von dir?« Die Ohren der Frauen wurden länger. Wieder versuchte er, sie wegzuscheuchen, doch niemand störte sich an dem Gefuchtel. Neugierig rutschten die auf Knien heran, die des Angelsächsischen mächtig waren. Nichts blieb vor den Ohren dieses Haushaltes verborgen …
    »Magga, der König begehrt dich zur Frau.«
    Christina blieb für einen Moment das Herz stehen, als müsste es erst in diese Worte hineintauchen, um ihre Bedeutung zu erfassen. Und das schien nicht nur ihr so zu gehen, denn um sie herum war es still geworden. Agatha starrte ihren Sohn an.
    Margaret legte die Hände in den Schoß. Sehr aufrecht saß sie dort auf der Bank, viel zu weit von Christina entfernt, als dass diese sie hätte unterstützen können. Und sie brauchte diese Unterstützung

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