Die Stunde der Seherin - Historischer Roman
haarigen Armen vorbei. Sie erreichte den vorderen Rand der Menge, als die Segnungszeremonie zu Ende ging. Für einen Moment war es ganz still in der königlichen Schlafkammer. Fothad spritzte Weihwasser auf das Lager, und das hauchfeine, klopfende Geräusch der Wassertropfen auf den Laken grub sich ins Bewusstsein. Er tauchte die Kelle ein drittes Mal in das Gefäß. Diesmal regnete das Weihwasser auf die Köpfe des Brautpaares. Die duftenden Kerzen hinter ihnen verwandelten das Tropfengespinst auf ihrem Haar in eine Flut von winzigen Edelsteinen.
»… Gesegnet sei diese Kammer, auf dass sie Leben hervorbringe«,sprach der Bischof seinen unterbrochenen Segen weiter, » gesegnet sei euer Lager, auf dass es Leben hervorbringe. Gesegnet seien eure Hände, auf dass sie Leben schenken – gesegnet sei euer Geist, auf dass er Leben denke. Gesegnet sei dieses Land – gesegnet sei sein König, gesegnet sei seine Königin und die Frucht ihres Leibes, in nomine patri et filii et spiritu sancti. Amen.«
Margaret hing an den Lippen des Bischofs. Etwas, das wie Enttäuschung wirkte, machte sich auf ihrem Gesicht breit, als er endete und stumm das Kreuz über dem Bett schlug, in welchem das Brautpaar nach dieser Zeremonie sein Lager beziehen würde.
»Gut gemacht – habt Dank, und jetzt …« Malcolm hob den Arm. Seine Geste glich einem Hinauswurf, der Segen des Bischofs schien ihm ohnehin schon viel zu lange gedauert zu haben. »Jetzt habt die Güte, mich nicht weiter an der Ausübung meiner ehelichen …«
» A rìgh , vergesst nicht, dass die heute empfangene heilige Kommunion Euch wenigstens einen Tag Keuschheit …«
»Papperlapapp«, unterbrach Malcolm den Geistlichen lachend. »Keuschheit gilt für das einfache Volk. Je eher ein König das Reich mit Erben versorgt, umso besser. Gott wird dafür jedes Verständnis aufbringen.« Das amüsierte Brummen seiner Gefolgsleute verhieß Unterstützung für das Vorhaben. Der Bischof zog die Brauen hoch. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ den Raum, vermutlich war er aus Erfahrung klug geworden. Malcolm war niemand, mit dem man sich über Glaubensfragen stritt.
Margaret war blass geworden. Christina drängelte sich an den letzten Männern vorbei, doch die Schwester war schon von Frauen umgeben, die an ihr herumzupften und ihr geflochtenes Haar auseinanderzogen. »Schön machen«, hörte man und: »Der König wird staunen«, dann gackerten sie und kicherten und streiften ihr den nerzbesetzten Mantel von den Schultern. Christina schoben sie einfach weg.
»Das ist nichts für Jungfrauen, Mädchen. Geht in Eure Kammer«, sagte eine Dienstmagd in holperigem Angelsächsisch. »Für Euch wird der Tag auch noch kommen, seid nicht so ungeduldig. Dies hier ist die Stunde Eurer Schwester. Fort mit Euch!«, und um ihre Worte zu unterstreichen, gab sie ihr lachend einen Klaps auf den Rücken. Das Letzte, was Christina sah, waren die unnatürlich großen Augen ihrer Schwester, die auf irgendeinen Punkt an der Tür gerichtet waren. Sie sah nichts. Sie versuchte ganz offensichtlich, sich zu versenken, während die Frauen sie auf ihre eheliche Pflicht vorbereiteten. Und Christina konnte ihr nicht beistehen.
Vor den Kammern stellte Bischof Fothad sein Weihrauchgefäß auf den Boden und faltete aufatmend die Hände vor der Brust. Die Luft drinnen war zum Schneiden dick, und er schien ein bisschen froh, ihr entronnen zu sein. Ihn schien es auch nicht zu ärgern, dass der König ihn einfach hinausgeworfen hatte, für den Ehevollzug würde es genug Zeugen geben.
»Ein wenig Spaß soll es den beiden ja auch machen«, zwinkerte er. »So würde Gott das haben wollen.« Er lehnte sich gegen die Wand. Christina war verlegen, dass er bei ihr stehen geblieben war, und wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Dieser ganze Tag verwirrte sie so sehr!
»Es ist gut, dass Malcolm sich eine neue Frau genommen hat«, fuhr der Bischof fort, und ein verschmitztes Lächeln glitt über sein faltiges Gesicht. »Schottland braucht eine christliche Königin, in diesen Zeiten dringender denn je. Eure Schwester Margaret wird ihm ein gutes Weib sein – und eine gottesfürchtige Königin für dieses gottlose Land, das einer gottesfürchtigen Königin bedarf wie kaum ein anderes … ach!« Er seufzte tief auf. »Habt Ihr etwas zu trinken für mich?«
Sie wollte schon verneinen, da fiel ihr der Weinbecher auf dem Sims ein. Ohne weiter nachzudenken, reichte sie ihn ihm und hoffte, dass er
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