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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Rande der frosterstarrten Ebene und die Krähen darüber mit ihrem heiseren Schrei. Es gab in diesem Dorf keine Bewohner mehr außer der Frau in dem Gehöft abseits des Ortes. Es gab sie und ihren Knecht, und es gab in den Häusern die Soldaten der Frontaufklärungskompanie, ihre Waffen und Geräte, ihre Bekleidung und Verpflegung. Zwischen den Häusern standen die Fahrzeuge. Die Fahrer hatten sie bis weit über die Achsen in die Erde eingegraben, hatten ihnen Zweige und Tarnnetze übergeworfen, sie auf hunderterlei verschiedene Art unsichtbar zu machen versucht. Es waren kleine, geländegängige Schützenpanzerwagen mit Gummipolstern über den Ketten und kantig abgeschrägten Aufbauten, Lastwagen und schnelle, wendige Personenwagen für den Kompaniechef. Ein paar hundert Meter vor dem Dorf lagen die rostigen Gerippe einer Batterie deutscher Flakgeschütze.
    Die T 34 hatten sie damals überrollt, als die Rote Armee überraschend versuchte, ihre Front über das Dorf hinaus vorzuschieben. Es war ein örtlicher Angriff gewesen, und einige Tage lang war es hin- und hergegangen, bis einige schnell zusammengezogene deutsche Regimenter den Vorstoß aufgefangen und zurückgeschlagen hatten. Seitdem war das Dorf wieder in deutscher Hand, und die Front befand sich einige Kilometer ostwärts. Aber hinter den Flakgeschützen lagen noch die geborstenen Kolosse der beiden T 34, die das deutsche Nachhutkommando aus den Fenstern der Dorfhäuser mit Panzerfäusten abgeschossen hatte.
    Der Boden auf den Äckern vor dem Dorf war unter der gefrorenen Kruste zerwühlt und mit Granattrichtern bedeckt. In den Dreck eingefroren waren Ausrüstungsstücke von Soldaten, Patronenhülsen, kurze Rohre von abgeschossenen Panzerfäusten. Es war ein ödes, geschundenes Stück Land, das selbst die gelbliche Wintersonne nicht freundlicher erscheinen lassen konnte.
    Bis auf die Soldaten war das Dorf tot. Es verkroch sich hinter seinen niedergebrochenen Zäunen und den zertrampelten Gärten. Die Fenster der verödeten Häuser waren dunkle Höhlen, in denen das Grauen hockte. Manchmal schlug der Wind einen Fensterflügel klirrend gegen die Mauer, oder ein Zauntor bewegte sich knarrend. Die Dunghaufen waren überfroren, weiß bereift. In den Scheunen hatten sich Ratten eingenistet, die wie graue Blitze über die Tennen huschten. Es gab ein paar Tauben, die verloren auf halb eingestürzten Dächern hockten, aber es gab ihrer nicht mehr viele, denn die Soldaten schossen nach ihnen, und sie hatten Übung im Töten. Sie hausten in den wenigen heil gebliebenen Häusern oder in den Kellern der Ruinen. Sie schliefen oder dösten über wochenalten Zeitungen. Sie spielten alle Spiele, die man mit Karten spielen kann, und waren nicht sehr laut, denn ihre Zoten waren verbraucht, riefen kein Gelächter mehr hervor. Gelächter gab es höchstens dann, wenn einer oder mehrere aus einem der Dörfer zurückkamen, die weiter hinten lagen, wo es noch Mädchen gab, von denen man den Kameraden erzählen konnte. An bestimmten Tagen zogen die Soldaten in kleineren Gruppen hinaus in das Gelände um das Dorf herum, übten sich im Schießen, in der geräuschlosen Fortbewegung auf der gefrorenen Erde, in vielem, was nicht in Vergessenheit geraten durfte während des stumpfen Einerleis der dörflichen Tage und Nächte. Zuweilen wurde dann eine Gruppe zusammengestellt und auf ein Fahrzeug verladen. Die Soldaten ließen alles zurück, was ihnen gehörte. Ihre Soldbücher und ihr Geld, die Briefe von den Frauen und den unbekannten Mädchen, die Bilder ihrer Kinder, ja selbst die pornografischen Fotos aus der Zeit in Holland und Frankreich. Sie zogen als Namenlose fort, weiter nach hinten, in die Nähe eines Flugplatzes, wo sie in einer Gegend trainiert wurden, die der Stelle aufs Haar angeglichen worden war, über der sie abgesetzt werden sollten. Sie übten hundertmal an einem Sandkasten ihren bevorstehenden Einsatz, sie krochen die Strecken, die sie nach dem Absprung zurückzulegen hatten, ebenso oft, sie übten sich darin, Puppen aus Stroh anzuspringen und mit dem Messer zu töten, sie exerzierten mit Sprengladungen und Brandflaschen, sie schliefen ein paar Tage im Freien, ohne Decken, so wie sie es später tun würden. Dann empfingen sie alles, was sie brauchten. Die Waffen und die konzentrierte Verpflegung, die Kekse und die Zitronenschnitten, die Schokolade und die Pervitintabletten. Wenn sie abflogen, hatten sie Angst und zitterten. Aber wenn die Maschine sich erhob, begann

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