Die Stunde der toten Augen
kommt die Nähmaschine und besichtigt die Stellungen. Du wirst lachen, aber die schießt auf Meldefahrer. An deiner Stelle würde ich mich jetzt davonmachen ..."
Der Fahrer nickte und hielt ihm die Hand hin. Er bedankte sich für die Zigaretten, und Zado wies den Dank mit der Geste eines Millionärs zurück. Während der Fahrer die Maschine antrat, fragte er ihn: „Fährst du morgen wieder diesen Weg?"
Der Fahrer bewegte unbestimmt die Schultern. „Wieso? Bist du morgen wieder bei uns hinten?"
„Leider", sagte Zado höflich, „ich habe es der Dame aus dem kleinen Haus hinter der Schule versprechen müssen."
„Ich kann dich schon mal schnell heimfahren", sagte der Fahrer grinsend. „Die Dame aus dem kleinen Haus hinter der Schule hat einen Leberfleck über dem Nabel."
„Sehr richtig", bestätigte Zado ungerührt, „um diesen Leberfleck handelt es sich." Der Fahrer drehte den Gasgriff und ließ den Motor ein paarmal aufheulen. Dann warf er den Gang ein, und wahrend er die Kupplung losließ, rief er zurück: „Sag mit Bescheid, dann fahre ich dich heim."
„Gemacht!" brüllte Zado ihm nach. Dann ging er mit seinem tänzelnden Schritt hinter dem davonbrausenden Motorrad die Dorf- straße hinab.
Der Schützenpanzerwagen stand, halb in die Erde eingegraben, an der Rückseite des letzten Hauses von Haselgarten. Es war ein kleines, buntscheckiges Fahrzeug, mit Stahlplatten beplankt. Vorn zwei Räder, hinten den gummigepolsterten Kettenantrieb. Über dem Turm mit der Zweizentimeterkanone war die Funkantenne ausgefahren. Der Wagen hielt die Funkverbindung mit der Division aufrecht. Er war Tag und Nacht besetzt, aber die Funksprüche für die Kompanie waren spärlich. Wenn überhaupt gesendet wurde, dann waren es Einsatzaufträge, verschlüsselte Befehle, eine bestimmte Anzahl von Männern zum Divisionsstab in Marsch zu setzen. Das
Fahrzeug hatte auch eine Funkverbindung zur Hauptkampflinie, aber sie wurde nicht benutzt. Die Welle, auf der sich der Verkehr zwischen der Hauptkampflinie und der Division abspielte, war für den Funkwagen unwichtig. So blieb lediglich die Aufgabe, Befehle der Division entgegenzunehmen und an den Kompaniechef weiterzuleiten. Der wohnte in einem der kleinen Bauernhäuser. Er war ein schmächtiger, bartloser junger Mann mit blonden Augenbrauen, der sich kaum um den Dienst kümmerte. Er überließ das lieber den Unteroffizieren. Nur wenn es Entscheidungen zu fällen gab, die er zu verantworten hatte, griff er in den Dienstbetrieb ein. Leutnant Alf war ein Mann mit wenig Fronterfahrung. Aber sein Onkel war der Ic der Division, und ihm verdankte er diese Stellung, in der er lediglich die Aufsichtsperson spielte. Er war noch nie hinter den russischen Linien gewesen, aber das störte die Männer nicht. Sie waren daran gewöhnt, daß nie ein Offizier mitflog.
Um den Wagen herum war die Erde zertrampelt und festgefroren. Es war schwere, tiefbraune Erde. Als sie noch weich gewesen war, hatten die Männer die Gruben für die Fahrzeuge ausgehoben. Es hieß, daß sie nötig wären, wenn Flieger den Ort angriffen. Aber es waren noch keine Flieger dagewesen, seit die Kompanie in diesem Dorf lag. Gelegentlich kurvte einer der langsamen Doppeldecker über dem Gelände, und dann erstarb alles Leben zwischen den Häusern. Doch es schien, als gäbe es hinter den russischen Linien zu dieser Zeit kein anderes Flugzeug als diese surrende, altmodisch anzusehende Maschine.
Ein paar hundert Meter seitwärts von dem an die Wand des letzten Gebäudes geschmiegten Funkwagen lag das einzelne Gehöft inmitten der Wiesen und Gebüsche. Es lag beinahe versteckt in einer kleinen Mulde, man konnte nur das obere Stockwerk und die Dächer sehen. Der Zaun darum war hoch, die Latten ohne Spalt. Stellenweise waren sie ausgebessert, man sah es von weitem an den hellen Flecken.
Das hat der Schwachsinnige gemacht, dachte Thomas Bindig, er hat den Zaun ausgebessert, man kann es sehen. Ob er Tischler ist? Oder Zimmermann? Oder ob er seit der Geburt nichts hört und nicht sprechen kann und seine Sinne nicht beieinander hat? Man kann das nicht wissen. Es gibt Leute, die sind die Hälfte ihres Lebens normal, und dann erleben sie irgend etwas, wovon sie den Verstand verlieren. Er hat dazu die Sprache und das Gehör verloren. Im Krieg? Kaum, denn für den letzten war er zu jung. Da war er überhaupt noch nicht geboren. Und in diesem wird es wohl nicht gewesen sein, denn dann hätten sie ihn in einem Heim behalten. Solche Leute
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