Die Stunde der toten Augen
auf das Dorf zufuhr. Er bremste unmittelbar vor Bindig, und eine Hand mit einem braunen Lederhandschuh winkte dem Gefreiten. Eine außergewöhnlich hohe Stimme rief aus dem Wagen: „Kommen Sie her!"
Als Bindig den Befehl hörte, wußte er sofort, daß diese Begegnung unangenehm ausgehen würde. Er hatte ein feines Gefühl für den Tonfall einer Stimme, und die Stimme aus diesem Auto gefiel ihm nicht. Sie reizte ihn zum Widerspruch.
„Ich habe dienstfrei!" rief er zurück. „Vielleicht bemühen Sie sich selbst her." Es klang herausfordernd. Die Tür des Autos öffnete sich schwungvoll. Der Mann, der ausstieg, war von hünenhafter Gestalt. Er trug die Abzeichen eines Oberfeldwebels auf der fleckenlosen Uniform. Auf der Brust, an der silbernen Kette, hing das Amtsschild der Feldgendarmerie. Bindig sah es und richtete sich langsam auf, während der Oberfeldwebel auf ihn zukam. Er zog unwillkürlich die Tasche mit der Pistole griffbereit, aber da war der Oberfeldwebel schon bei ihm angelangt, und seine hohe, heisere Stimme bellte wütend: „Wie heißen Sie?"
„Bindig."
„Herr Oberfeldwebel!" schrie der andere.
„Nein", sagte Bindig seltsam ruhig, „ich heiße nur Bindig, nicht ,Herr Oberfeldwebel'!"
Der andere sah ihn ein paar Sekunden lang entgeistert an. Dann kniff er die Augen in seinem runden, blaurasierten Gesicht zusammen und sagte bedrohlich leise: „Wenn Sie nicht gleich Ihre Knochen zusammennehmen und sich wie ein Soldat betragen, erleben Sie, daß ich unangenehm werde."
Bindig ließ diese Warnung unbeachtet. Er lehnte sich wieder an die Panzerplatte des Funkwagens und sagte gelassen:
„Sie sollten sich daran gewöhnen, daß Sie hier nicht in der Etappe sind, sondern an der Front. Hier wird nicht vor jedem Fatzken strammgestanden."
Der Oberfeldwebel riß die Augen weit auf und wiederholte mit gerunzelter Stirn: „Fatzke? Sagten Sie Fatzke?"
„Fatzke!"
„Fallschirmjäger?"
Bindig deutete mit dem Daumen auf das Kriegsverdienstkreuz an der Uniform des Oberfeldwebels und sagte: „Sie sollten Ihren Nichteinmischungsorden hier vorn lieber abnehmen. Man wird Sie auslachen."
„Ich habe Sie gefragt, ob Sie Fallschirmjäger sind."
„Ja", sagte Bindig lächelnd, „beunruhigt Sie das?"
Der andere sah ihn kalt an. „Wir kennen euch. Wie wissen, daß ihr der verkommenste Haufen in dieser Gegend seid. Aber wir kriegen euch! Wo liegt euer Kompaniechef?"
Bindig machte eine unbestimmte Handbewegung. Er wies mit dem Kopf nach dem Dorf und sagte: „Dahinten ..."
„Los!" befahl der Oberfeldwebel. „Einsteigen! Zu eurem Kompaniechef I" Bindig schüttelte den Kopf. Dann sagte er, sich aufrichtend: „Nein. Ich steige nicht gern zu fremden Leuten ins Auto. Ich gehe lieber zu Fuß."
Er setzte sich nach dem Dorf zu in Bewegung, und dem Oberfeldwebel blieb nichts weiter übrig, als ihm zu folgen. Er winkte dem Fahrer, hinterherzufahren. Der Fahrer war ein Unteroffizier. Er sah Bindig böse an, als dieser an seinem Wagen vorbeiging.
Leutnant Alf hatte geschlafen. Er erschien, nur mit der Hose und der Uniformjacke bekleidet, mit bloßen Füßen in der Tür des Hauses, das ihm als Quartier diente. Als er Bindig neben dem Oberfeldwebel sah, zog er erstaunt die Augenbrauen hoch und fragte, bevor der Oberfeldwebel etwas sagen konnte: „Was ausgefressen, Bindig?"
Bindig nahm eine sehr stramme Haltung an und antwortete schnell: „Nein, Herr Leutnant. Aber der Herr wollte Sie sprechen." Alf sah mißtrauisch von einem zum anderen. Er ahnte, was sich abgespielt hatte, und nahm die Meldung des Oberfeldwebels schweigend entgegen.
„Meine Leute sind den Umgang mit der Feldgendarmerie nicht gewohnt", sagte er kurz. „Was wünschen Sie von mir, Oberfeldwebel?"
„Die Disziplinlosigkeit dieses Menschen grenzt an Meuterei!" erklärte dieser. „Ich bestehe auf einer Meldung des Vorfalls."
Alf knöpfte sich die Jacke zu. „Das, ist Ihre Sache", erklärte er gereizt. „Was wollen Sie hier?"
„Ich habe einen Vorführungsbefehl für den Obergefreiten Gerhard Bachmann bei mir. Der Genannte befindet sich bei der dritten Kompanie in der Schützen Stellung. Ich muß ihn abholen und erbitte dazu einen Mann von Ihnen, der mich in die Stellung führt."
„Sie wissen nicht, wo die Kompanie liegt?" erkundigte sich Alf. Er sah über den Oberfeldwebel hinweg und erblickte auf der anderen Straßenseite Zado, der mit zwei Konservenbüchsen in der Hand unbeteiligt an einem halb niedergebrochenen Zaun lehnte.
„Nein",
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