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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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fanden, und anstatt des Parfüms wirst du den Gestank der Därme riechen, die dem Pionier aus dem Leib hingen, der auf die Mine gelatscht war. Und hinter den lächelnden Salongesichtern wirst du die Fratzen der Angst sehen und die Fratzen der Gier wie damals, als die beiden deutschen Weiber in Apeldoorn unserem Wagen nachliefen und wir sie über die Planken zogen und sie Angst hatten, daß im nächsten Moment der Jabo, der über uns kreiste, seine Bombe genau auf unseren Wagen werfen würde. Weißt du noch, wer ihnen zuerst den Rock hob?
    Das wirst du dann immer sehen, und es wird keine Möglichkeit geben, es zu vergessen, oder du mußt saufen, und du wirst selbst im Delirium noch schreien: .Tiefflieger von links!' - Das sind wir, Junge, und die anderen sind wie deine Barbara. Belüg dich, wenn dir wohl genug dabei ist. Und sauf, wenn dir das Kotzen hochkommt. Aber was wir sind, das haben sie aus uns gemacht, und die Hände, in denen du das Messer hattest, werden in jeder Dunkelheit leuchten, in der du ein Mädchen streichelst. Danke Gott, den es nicht gibt, wenn du den Krieg überlebst. Oder danke ihm lieber nicht, denn du wirst kein Mensch mehr sein unter denen, die in den Villen am Stadtrand gelebt haben, zwi schen Klavieren, auf denen sie „Lilli Marien ― spielten, und zwischen Kleidern aus Paris. Du wirst entweder ein Kommunist werden wie die, die neunzehnhundertachtzehn aus dem Krieg heimkamen und die Soldatenräte gründeten, oder du wirst an deinen eigenen Gedanken verfaulen. Das ist die Auswahl. Und nun überleg dir selber, ob sich die Liebe zu dem Mädchen Barbara lohnt oder nicht." Der Sturm rüttelte an der Haustür. Er fuhr heulend unter die Dachsparren und winselte in den Kaminen.
    „Oh ...", stöhnte der Betrunkene. „Oh ... Zado ... sauf!"
    „Du bist ein eigenartiger Mensch...", sagte Paniczek zu Zado,
    „Ich bin ein Verrückter", antwortete er. Er besah sich noch einmal die Fotografien des Mädchens. „Aber ich bin nicht als Verrückter geboren worden. Auch nicht eingezogen."
    Er hielt inne. Da war das Porträt des Mädchens. Und da war um ihren Hals ein schmales Kettchen mit einem Kreuz daran. Zado nahm noch einmal den Briefbogen und überlegte. Dann sagte er zu Paniczek: „Ich habe was vergessen."
    Er schrieb einen Nachsatz unter den Brief. Er las ihn Paniczek vor: „Eben waren wir alle in der Kirche. Es gibt hier in unserem Dorfe eine. Sie ist halbzerstört, aber es wurde eine Messe gelesen. Es ist ein seltsames Gefühl gewesen, in einem Gotteshaus ehrfürchtig zu verweilen, dessen Dach von Granaten zerrissen ist und dessen Altar von Splittern getroffen wurde. Man sieht die unendlich fernen Sterne durch das geborstene Dach, und man weiß um die Unendlichkeit dieser Welt. Man hört das Wort des Priesters, und man schaut auf das Kreuz und ist gebannt von der Kraft des geheiligten Ortes. Und die Front grollt, und über dem geborstenen Dach zucken die Leuchtkugeln. Aber das Wort des Herrn übertönt alles und verleiht Kraft und Glauben. Man fühlt, wie die Weihe dieses Augenblickes einen erhebt und mit fortnimmt. Nie habe ich eine Messe so tief empfunden wie diese."
    „So", sagte er, „hier hast du deinen Brief. Werde glücklich mit deiner Barbara. Die Flasche Schnaps kannst du wieder mitnehmen. Ich brauche sie nicht."
    „Hi...", grinste der betrunkene Obergefreite, „hi... Schnaps braucht er nicht... war in der Kirche ..."
    Draußen schwoll das Geheul des Sturmes an. Er trieb bereits jetzt Schnee mit sich, der gegen die Fenster klatschte, in großen, nassen Flocken.
    „Eine Messe gelesen...", sagte Paniczek mit großen Augen.
    Die Tür flog auf, und einer von denen aus der Kirche torkelte in den Raum. „Scheiße, es schneit...", brüllte er.
    Der Betrunkene in seiner Ecke kicherte, eine Hand an der Flasche. „Es schneit... es schneit Scheiße... hi..."
    Sternentanz
    Die Pistole, die Thomas Bindig besaß, war eine Achtunddreißig. Er hatte sie neu empfangen und selbst eingeschossen. Noch kein anderer Mensch als er hatte jemals mit der Pistole geschossen. Es war eine von den neuen Pistolen, die es noch nicht lange gab, und sie war besser konstruiert als die Nullacht mit ihrem veralteten Kniegelenk, das den Rückstoß noch verstärkte, anstatt ihn zu dämpfen. Sie war geschickter und treffsicherer.
    Sie war leichter als die Nullacht. Sie lag besser in der Hand. Und man konnte sie geladen in der Hosentasche tragen, ohne besonders gefährdet zu sein, denn es bedurfte eines kräftigen

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