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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Attentate mehr geben, dessen war sie sicher. Irgendwann würde der Angriff erfolgen, doch zum ersten Mal, seit Keyoke sie aus dem Tempel geholt hatte, konnte die Lady der Acoma das Gefühl genießen, ein bißchen Zeit gewonnen zu haben. Und die mußte sie jetzt sehr sorgsam nutzen.
    Mara wandte ihre Gedanken den kommenden Aufgaben zu und entließ Lujan und die Krieger. Mit Keyoke und Papewaio an ihrer Seite kehrte sie in die Bequemlichkeit und Kühle ihres Gemaches zurück. Auf ihrem Plan stand als erstes eine Reise nach Sulan-Qu gleich am nächsten Tag, denn wenn Arakasis Information richtig gewesen war, wohnte dort in ihrem Haus eine Spionin der Minwanabi. So bald wie möglich mußte sie sich um Buntokapis Konkubine Teani kümmern.

    Der ehemalige Lord der Acoma hatte sich als Wohnort nicht gerade einen der vornehmsten Stadtteile ausgesucht. Die Nebenstraße, in der das Haus lag, war ordentlich und ruhig, in angenehmer Entfernung zu den geräuschvollen Handelsstraßen, die durch die Stadt führten, und gleichzeitig waren die öffentlichen Arenen, in denen die Ringkämpfe ausgetragen wurden, von dort gut zu Fuß zu erreichen. Mara stieg aus der Sänfte, und ihre Sandalen knirschten leise auf den Ulo-Blättern, die während der trockenen Monate abfielen. Begleitet von einem kleinen Gefolge, zu dem auch Papewaio und Arakasi gehörten, trat sie auf die breite Tür zu, deren Pfosten in der Form von Kriegern geschnitzt waren, die sich zur Schlacht aufgestellt hatten. Ein merkwürdiger Diener öffnete den Laden.
    Er verneigte sich tief. »Ich heiße die Lady der Acoma willkommen.«
    Mara reagierte auf die Begrüßung mit einer schwachen Handbewegung und trat über die Schwelle in einen Schatten, der leicht rotgefärbt war, da das Sonnenlicht von Vorhängen gefiltert wurde. Der Geruch frischer Gewürze erfüllte die Luft, vermischt mit dem Öl der Möbel und dem Parfüm einer Frau. Die vier Personen, die im Haus angestellt gewesen waren, sanken auf die Knie und warteten auf Maras Befehl. Die Lady der Acoma betrachtete jedoch die schönen Teppiche, die Waffen auf dem mit Muscheln verzierten Regal und die Truhen, die mit roten Edelsteinen geschmückt waren. Ihr Mann hatte aus dem Haus in der Stadt ein wirklich gemütliches Nest gemacht, entschied sie. Doch die Ausstattung und Dekoration des Hauses war noch von einem anderen Geschmack als nur dem ihres verstorbenen Mannes geprägt. Buntokapi hätte niemals Marmorstatuen von Nymphen in den Flur gestellt, und die Gemälde auf den Läden waren voller Blumen und eleganter Vögel; nirgendwo waren die Kampfszenen zu sehen, die er sonst immer bevorzugt hatte.
    Mara wartete, bis Papewaio und Arakasi neben ihr standen. Zwar trug der erste sein Schwert ganz und gar nicht nur zum Schein, doch der zweite hatte den Offiziershelm mit Federbusch nur auf, um seine wahren Absichten zu verschleiern. Aber eigentlich benötigte Mara die Hilfe des Supais gar nicht, um die Frau zu erkennen, die das Herz ihres Mannes gewonnen hatte – damit sie für die Minwanabi spionieren konnte. Obwohl Teani sich mit dem übrigen Dienstpersonal unterwürfig verbeugte, war es unmöglich, sie für etwas anderes als die Mätresse Buntokapis zu halten.
    Mara betrachtete eingehend ihr Profil und verstand die Besessenheit ihres Mannes. Die Konkubine war tatsächlich eine außerordentlich schöne Frau mit makelloser Haut und Haaren, die in der Sonne golden und rot aufblitzten – auch wenn Mara diesen Effekt eher einer künstlichen Bearbeitung denn der Natur zuschrieb. Obwohl sie auf dem Boden kniete, formte die leichte Seide ihres Gewandes eine volle, weiche Figur mit hohen und wohlgeformten, doch nicht zu großen Brüsten, einer schmalen Taille und breiten Hüften. Maras eigener Körper erschien ihr dagegen knabenhaft, und das störte sie, auch wenn es dafür keinen triftigen Grund gab. Denn Mara hatte für jede Minute, die Buntokapi nicht im Herrenhaus verbracht hatte, den Göttern gedankt. Trotzdem stimmte die überwältigende Schönheit der Frau, die er ihr vorgezogen hatte, sie jetzt verdrießlich. Eine warnende Stimme aus dem Tempel stieg plötzlich aus ihrer Erinnerung auf: »Hütet euch vor Eitelkeit und falschem Stolz.« Mara mußte beinahe lachen. Ja, sie fühlte sich in ihrer Eitelkeit gekränkt und in ihrem Stolz verletzt. Aber dennoch war das Schicksal in einer merkwürdigen und unerwarteten Weise freundlich zu ihr gewesen.
    Jingu von den Minwanabi hatte diese Frau geschickt, um seinem Ziel, der

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