Die Stunde des Jägers - EXOCET
laut vor. »Beginnt im Digby-StuartCollege in London, dann fliegt er mit dem Hubschrauber nach Canterbury.« Er runzelte die Stirn. »Moment mal. Er macht bei Stokely Hall Zwischenlandung, um eine katholische Kapelle zu besuchen.«
»An Stokely Hall kamen wir auf dem Weg nach Maidstone vorbei«, sagte sie. »Ungefähr drei Meilen von hier. Aber dieser Besuch ist inoffiziell. Alle anderen Stationen stehe n in den Zeitungen, die ich gelesen habe, aber Stokely Hall nicht. Woher sollte Cussane Bescheid wissen?«
»Er leitete das Pressebüro des katholischen Sekretariats in Dublin.« Devlin hieb sich mit der Faust auf den Schenkel. »Das ist es! Muß es einfach sein. Los, steigen Sie aufs Gas und lassen Sie sich von nichts aufhalten!«
»Und Ferguson?«
Er griff nach dem Mikrophon. »Ich will versuchen, ihn zu erreichen, aber es ist zu spät, er kann nichts mehr unternehmen. Wir sind in ein paar Minuten an Ort und Stelle. Jetzt kommt es auf uns an.«
Er nahm die Walther aus der Tasche, spannte sie und legte dann den Sicherungshebel um, als der Wagen losschoß.
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Die Straße war frei, als Cussane sie überquerte. Im Schutz der Bäume ging er an der Mauer entlang, erreic hte ein altes Eisentor, schmal und verrostet und fest in die Mauer eingelassen, und als er an ihm zog, hörte er von drinnen Stimmen. Er verschwand hinter einem Baumstamm und wartete. Durch die Eisenstäbe konnte er einen Gartenweg und Rhododendronsträucher sehen. Einen Moment später schritten zwei Nonnen vorbei.
Er ließ sich Zeit, bis sie sich etwas entfernt hatten, und ging dann zurück zu der Stelle, an der eine Bodenerhebung unter den Bäumen ihn fast auf Augenhöhe mit der Mauer brachte. Dann griff er nach einem Ast, der überragte. Hinüberklettern wäre ohne die Schulterverletzung lächerlich einfach gewesen. So aber waren die Schmerzen entsetzlich, doch er raffte seine Soutane, um sich mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen, zog sich hoch und verharrte nur kurz oben auf der Mauer, ehe er sich auf den Boden fallen ließ.
Er blieb auf einem Knie, rang nach Luft, stand dann auf und strich sich das Haar glatt. Alsbald eilte er den Gartenweg entlang, hörte vor sich die Stimmen der Nonnen, bog bei einem alten Springbrunnen aus Stein um die Ecke und holte sie ein. Die beiden drehten sich verdutzt um. Eine war sehr alt, die andere jünger.
»Guten Morgen, Schwestern«, sagte er munter. »Ist es hier nicht herrlich? Ich konnte mir einen kleinen Spaziergang einfach nicht verkneifen.«
»Es ging uns ebenso, Pater«, sagte die Ältere.
Sie gingen nebeneinander weiter und traten aus dem Gebüsch auf eine weite Rasenfläche. Hundert Meter rechts vor ihnen stand der Hubschrauber, daneben lässig die Besatzung. Vor dem Haus parkten mehrere Limousinen und zwei Polizeifahrzeuge. Zwei Polizisten mit einem angeleinten Schäferhund überquerten den Rasen. Sie gingen wortlos an Cussane und den beiden Nonnen vorbei und hielten auf das Gebüsch zu.
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»Kommen Sie aus Canterbury, Pater?« fragte die ältere Nonne.
»Nein, Schwester…?« Er machte eine Pause.
»Agatha – und dies ist Schwester Anne.«
»Ich komme vom Sekretariat in Dublin. Wunderbar, daß man mich hierher eingeladen hat, um seine Heiligkeit zu sehen. Ich habe ihn nämlich bei seinem Besuch in Irland verpaßt.«
Susan Calder bog von der Straße zum Haupttor ab, und Devlin zeigte seinen Sonderausweis, als zwei Polizisten vortraten. »Ist hier im Lauf der letzten paar Minuten jemand durchgekommen?«
»Nein, Sir«, erwiderte ein Beamter. »Es traf allerdings eine Menge Gäste ein, ehe der Hubschrauber landete.«
»Losfahren!« sagte Devlin.
Susan Calder fegte mit beträchtlichem Tempo die Auffahrt hoch. »Nun, was meinen Sie?«
»Er ist hier!« rief Devlin erregt. »Dafür wette ich meinen Kopf.«
»Sind Sie seiner Heiligkeit schon vorgestellt worden, Pater?« erkundigte sich Schwester Anne.
»Nein, ich bin eben erst aus Canterbury eingetroffen und habe eine Botschaft für ihn.«
Sie überquerten nun die gekieste Auffahrt, passierten zwei Polizisten, die bei den Limousinen Wache standen, gingen die Stufen hoch, vorbei an den beiden uniformierten Wächtern von einer Privatgesellschaft, und durch die mächtige Eichentür. Die Empfangshalle war weitläufig, in ihrer Mitte erhob sich eine breite Treppe zu einem Absatz. Rechts standen beide Flügel einer Doppeltür offen und gaben den Blick in einen
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