Die Stunde des Jägers - EXOCET
Sie ihn über alles informieren, was wir wissen.«
»Es wird ihm nicht gefallen, Sir. Ich meine, Gabrielles Teilnahme.«
»Wollen Sie damit sagen, daß er sie noch liebt?«
»So einfach ist es wohl nicht«, antwortete Fox. »Aber sie waren fünf Jahre verheiratet. Sicher, sie haben oft Krach gehabt, aber so eine Beziehung kann man nicht von heute auf morgen vergessen. Sie ist wichtig für ihn. Drücken wir es altmodisch aus: Er betrachtete sie immer noch als ein Stück von sich selbst.«
»Wunderbar. Dann wird er sich um so mehr Mühe geben, dafür zu sorgen, daß ihr nichts passiert. Ich möchte, daß Sie morgen abend wieder hier sind, Harry.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Noch etwas, bevor ich das Licht ausknipsen kann?«
»Was ist mit unserem Draht nach Paris, Sir? Sollten wir die Leute nicht langsam alarmieren?«
»Ich glaube nicht, wenigstens noch nicht jetzt. Wir wissen
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immer noch nicht, was Bobst plant. Wenn die Franzosen ihn festnehmen, holt ihn ein guter Anwalt in einer Stunde raus.«
»Reden Sie wenigstens mit Pierre Guyon, Sir.«
»Ich werde darüber nachdenken. Gute Nacht, Harry. Gehen Sie schlafen.«
Ferguson legte auf und lehnte sich in die Kissen und tat genau das, was er Fox gesagt hatte – darüber nachdenken.
Der französische Sicherheitsdienst SDECE – Service de Documentation Exterieure et de Contre-Espionnage (»Amt für Auslandsinformationen und Spionageabwehr«) – ist in fünf Sektionen und viele Abteilungen unterteilt. Der wohl interessanteste Zweig des Dienstes ist Sektion Fünf, bekannter unter der Bezeichnung Aktionsdienst, die für die Vernichtung der OAS verantwortlich gewesen war. Diese Abteilung wurde geleitet von Oberst Pierre Guyon, der nicht allein Fergusons Amtskollege, sondern auch einer seiner ältesten Freunde war.
Ferguson griff nach dem Hörer und wählte die Pariser Vorwahl, aber dann zögerte er und legte wieder auf. Er wußte, daß er ein Risiko einging und seine ganze Karriere aufs Spiel setzte. Aber sein in jahrelanger Geheimdienstarbeit geschulter Instinkt sagte ihm, daß er die Dinge vorerst laufen lassen sollte, und er vertraute seinem Instinkt immer. Er knipste das Licht aus, drehte sich auf die Seite und schlief ein.
Raul Montera schlief in dieser Nacht überraschend gut, denn die Strapazen und die Anspannung der letzten Wochen forderten ihren Tribut. So stand er am nächsten Morgen erst um zehn Uhr auf. Seit vielen Jahren hatte er sich angewöhnt, morgens einen Fitneßlauf zu machen, und bisher hatten ihn nur die Einsätze von Rio Gallegos gezwungen, auf dieses Training zu verzichten.
Er sagte Gabrielle guten Morgen, inzwischen ein Ritual, und ging ans Fenster. Als er die Vorhänge aufzog und hinausscha ute, regnete es in Strömen, und der Bois de Boulogne war in Dunst getaucht. Ihm wurde auf einmal leicht ums Herz. Ge
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stern abend war er so erschöpft gewesen, daß er nicht einmal die Reisetasche ausgepackt hatte. Er tat es nun, nahm einen alten Jogginganzug und Laufschuhe heraus, trank ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank und ging.
Er mochte den Regen, der ihm ein Gefühl der Isolation gab, als befände er sich in einer eigenen, sicheren Welt. Er war bald klitschnaß, aber trotzdem lief er weiter und kostete jede Sekunde aus. Er war übrigens nicht der einzige im Bois. Andere Regenfans taten das gleiche wie er und liefen, andere führten ihren Hund spazieren, und einer ritt sogar.
George Corwin stand im Laderaum eines in der Avenue de Neuüly parkenden Milchwagens und beobachtete, wie Montera vom See aus in seine Richtung lief. Nur wenige Meter von ihm entfernt blieb der Argentinier schweratmend stehen, und er fotografierte ihn ein paarmal mit einer Spezialkamera durch ein winziges Loch in der Wagenseite.
Als Montera die Straße überquerte, fuhr ein schwarzer Mercedes vor dem Mietshaus an den Bordstein und hielt. Garcia stieg aus, und Bobst und Below folgten.
»Sieh da«, sagte Corwin leise. »Der gute alte Nikolaj persönlich.« Wieder klickte der Kameraverschluß mehrmals, und dann betraten die drei Männer das Gebäude.
Kemal stieg aus dem Mercedes und machte sich an den Scheibenwischern zu schaffen, so daß Corwin ihn der Vollständigkeit halber ebenfalls aufnehmen konnte.
»Alles Topleute«, murmelte er. »Wird nicht leicht sein.« Kemal stieg wieder ins Auto, und Corwin machte es sich bequem, rauchte eine Zigarette und wartete.
Raul Montera fand
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