Die Stunde des Jägers - EXOCET
Unruhen, Furcht; alles Faktoren, die entscheidend zum Zusammenbruch jedes geordneten Staatswesens beitragen.«
»Wobei die IRA Hauptziel der Schmutzkampagne ist?«
»Und es zunehmend unwahrscheinlicher wird, daß die Protestanten jemals ein politisches Abkommen mit ihr schließen, von unserer eigenen Regierung ganz zu schweigen.«
»Und dafür sorgt, daß der bewaffnete Kampf Jahr für Jahr weitergeht und eine Lösung für uns immer weiter in die Ferne rückt.« Ferguson nickte langsam. »Interessante Theorie, Harry. Glauben Sie daran?«
Er sah fragend auf. Fox zuckte die Achseln. »Die Fakten waren alle im Computer gespeichert. Wir haben halt bisher nie die richtige Frage gestellt. Hätten wir das getan, hätte sich das Raster schon früher ergeben. Die Daten liegen schon lange vor, Sir.«
»Hm, kann gut sein, daß Sie recht haben.« Ferguson brütete noch eine Weile vor sich hin.
»Er existiert, Sir«, sagte Fox vorsichtig. »Es gibt ihn wirklich, davon bin ich überzeugt. Und da wäre noch ein Aspekt, der uns einer Erklärung sehr viel näherbringen könnte.«
»Raus mit der Hiobsbotschaft.«
Fox nahm einen weiteren Bogen aus der Akte. »Als Sie vergangene Woche in Washington waren, kam Tony Villiers aus Oman zurück.«
»Ja, ich habe von seinen Abenteuern gehört.«
»Bei der Nachbesprechung erzählte Tony die interessante Geschichte eines jüdischen Dissidenten aus der Sowjetunion namens Viktor Lewin, den er mitgebracht hatte. Er unterrichtete uns über ein angebliches, recht ungewöhnliches Ausbildungszentrum des KGB in der Ukraine.«
Er trat an den Kamin, zündete sich eine Zigarette an und war
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tete, bis Ferguson die Akte durchgelesen hatte. Nach einer Weile bemerkte Ferguson: »Wußten Sie, daß Tony Villiers jetzt auf den Falkland-Inseln ist?«
»Ja, mit dem SAS hinter feindlichen Linien.«
»Und wer ist dieser Lewin?«
»Ein hochbegabter Ingenieur. Wir haben dafür gesorgt, daß er an einem College in Oxford eine Stelle bekommt. Im Augenblick ist er in einem unserer Häuser in Hampstead. Ich habe mir erlaubt, ihn holen zu lassen, Sir.«
»Wirklich, Harry? Was würde ich bloß ohne Sie anfangen?«
»Sie kämen bestimmt sehr gut zurecht, Sir. Ah, und noch etwas: Paul Tscherny, der in der Akte erwähnte Psychologe, lief 1975 zum Westen über.«
»Etwa nach England?« fragte Ferguson heftig.
»Nein, Sir – nach Irland. Besuchte dort im Juli dieses Jahres eine internationale Konferenz und bat um politisches Asyl. Inzwischen ist er Professor für Experimentalpsychologie am Trinity-College in Dublin.«
Viktor Lewin sah fit und gesund aus und war von seinem Jemen-Aufenthalt noch immer tief gebräunt. Er trug einen grauen Tweedanzug, ein weißes Wollhemd mit blauer Krawatte und eine schwarze Lesebrille, die sein Aussehen sehr veränderte. Er redete lange und beantwortete Fergusons Fragen geduldig.
Während einer kurzen Pause sagte er: »Kann ich davon ausgehen, daß Sie glauben, dieser Kelly oder Cuchulain, um ihn bei seinem Codenamen zu nennen, sei tatsächlich in Irland aktiv? Es sind immerhin dreiundzwanzig Jahre vergangen.«
»War das nicht der Zweck der Übung?« fragte Fox. »Ein Maulwurf, der sich tief einwühlt, um bereit zu sein, wenn Irland explodiert. Vielleicht hat er sogar ein wenig nachgeholfen.«
»Und Sie wären, abgesehen von seinen Leuten, der einzige,
der eine Vorstellung hat, wie er aussieht«, meinte Ferguson.
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»Aus diesem Grund werden wir Sie bitten, sich einige Bilder anzusehen. Eine ganze Menge sogar.«
»Wie ich schon sagte, es ist sehr lange her«, gab Lewin zu bedenken.
»Gewiß, aber er hatte ein unverwechselbares Gesicht«, warf Fox ein.
»Das ist allerdings wahr. Ein Gesicht wie der Leibhaftige, wenn er tötete, aber ich bin nicht der einzige, der sich an ihn erinnern kann. Da wäre noch Tanja. Tanja Woroninowa.«
»Das kleine Mädchen, Tochter des Mannes, der den Polizeisergeanten spielte und von Kelly erschossen wurde«, erklärte Fox.
»So klein ist sie inzwischen nicht mehr, sondern schon dreißig. Eine reizende junge Frau. Sie sollten sie am Klavier hören«, sagte Lewin.
»Haben Sie sie seither gesehen?« fragte Ferguson.
»Immer wieder. Lassen Sie mich das erklären. Ich sorgte dafür, daß man mich für reumütig hielt, entließ und an der Universität Moskau arbeiten ließ. Tanja wurde von Maslowski, dem KGB-Obersten, und seiner Frau adoptiert, die das
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