Die Stunde des Jägers - EXOCET
meinte Cussane. »Nur
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noch fünfzehn Minuten, dann muß ich aber wirklich fort. Wie du weißt, mache ich gerne eine Spätrunde im Hospiz, und dann ist da noch Danny Malone, bei dem man nicht weiß, ob er morgen noch am Leben ist.«
»Trinken wir einen auf ihn. Das steht uns allen bevor«, sagte Devlin.
»Hospiz, sagten Sie?« fragte Fox.
»Nebenan ist das Kloster zum Heiligen Herzen. Die Barmherzigen Schwestern richteten dort vor einigen Jahren eine Sterbeklinik ein.«
»Sind Sie dort tätig?«
»Ja, als Verwalter und Geistlicher. Es heißt, Nonnen seien nicht weltgewandt genug für die Buchführung. Absoluter Mumpitz. Schwester Anne-Marie, die dort drüben die Leitung hat, weiß bis auf den letzten Penny Bescheid. Und da diese Gemeinde so klein ist, hat ihr Priester keinen Kurator. Ich nehme ihm deshalb einiges ab.«
»Außerdem verbringt er drei Tage in der Woche mit der Leitung der Presseabteilung des katholischen Sekretariats in Dublin«, warf Devlin ein. »Und daneben führt er den hiesigen Jugendclub durch fünf sehr durchschnittliche Aufführungen von Südpazifik, mit einer Starbesetzung von dreiundneunzig Schulkindern.«
Cussane lächelte. »Raten Sie mal, wer das inszeniert hat. Als nächstes versuchen wir uns an der West Side Story. Liam findet das zu hoch gegriffen, aber meiner Ansicht nach ist es besser, sich einer Herausforderung zu stellen, als den Weg des geringsten Widerstands zu wählen.«
Er trank einen kleinen Schluck Bushmills. Fox sagte: »Entschuldigen Sie die Frage, Pater, aber sind Sie Amerikaner oder Ire? Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Das geht ihm die meiste Zeit selbst so«, wart Devlin lachend ein.
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»Meine Mutter war irisch-amerikanisch und kam auf der Suche nach ihren Wurzeln nach dem Tod ihrer Eltern 1939 nach Connacht zurück. Außer mir fand sie nichts.«
»Und Ihr Vater?«
»Den habe ich nie gekannt. Meine Mutter hieß Cussane und war übrigens Protestantin. Von denen gibt es noch einige in Connacht, Abkömmlinge von Cromwells Schlächtern. In diesem Landesteil nennen sich die Cussanes oft Patterson; fälschlich übersetzt von Casan, das auf irisch ›Pfad‹ bedeutet.«
»Kurz, er weiß nicht genau, wer er ist«, merkte Devlin an.
»Nur gelegentlich.« Cussane lächelte. »Meine Mutter kehrte nach Kriegsende 1946 nach Amerika zurück. Ein Jahr später starb sie an Grippe, und ich wurde von ihrem einzigen Verwandten aufgenommen, einem alten Großonkel, der im Weizenanbaugebiet von Ontario eine Farm hatte. Ein prächtiger Mann und guter Katholik. Unter seinem Einfluß wurde ich auch Katholik.«
»Und nun tritt von links der Teufel auf.« Devlin hob sein Glas.
Fox schaute verwirrt drein. Cussane erklärte: »Das Seminar, das mich annahm, war ›Allerseelen‹ in Vine Landing bei Boston. Liam lehrte dort Englisch.«
»Er machte mir allerhand zu schaffen«, meinte Devlin. »Sein Verstand war scharf wie ein Rasiermesser. Er stellte mich immer wieder bloß, wenn ich im Hörsaal Eliot falsch zitierte.«
»Ich arbeitete dann in zwei Gemeinden in Boston und später in einer in New York«, fuhr Cussane fort, »hegte aber immer die Hoffnung, eines Tages nach Irland zurückkehren zu können. 1968 wurde ich endlich nach Belfast versetzt, in eine Kirche in der Falls Road.«
»Die prompt im folgenden Jahr von einem protestant ischen Mob niedergebrannt wurde.«
»Ich versuchte, die Gemeinde zusammenzuhalten, und hielt
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die Gottesdienste in der Turnhalle einer Schule«, sagte Cussane.
Fox warf Devlin einen Blick zu. »Während Sie in Belfast herumrannten und die Flammen anfachten?«
»Das möge Gott mir vergeben«, sagte Devlin demütig. »Denn ich kann es mir nicht verzeihen.«
Cussane leerte sein Glas. »Ich muß mich jetzt verabschieden. Nett, Sie kennengelernt zu haben, Fox.«
Er streckte die Hand aus. Fox schüttelte sie, und Cussane ging zur Terrassentür und öffnete sie. Jenseits der Gartenmauer sah Fox das Kloster aufragen. Cussane ging über den Rasen, öffnete ein Tor und ging hinaus.
»Erstaunlicher Mann«, bemerkte Fox, als Devlin die Tür zumachte.
»Kann man wohl sagen.« Devlin drehte sich um. Sein Lächeln war verschwunden. »Na schön, Harry. Da Ferguson sich wie üblich mysteriös gibt, ist es wohl an dir, mir zu erläutern, was hier anliegt.«
Im Hospiz war alles still. Es war grundverschieden von einem konventionellen Krankenhaus, und die
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