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Die Stunde des Jägers - EXOCET

Die Stunde des Jägers - EXOCET

Titel: Die Stunde des Jägers - EXOCET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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worden war, hatte die ganze Härte des Staates zu

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    spüren bekommen. Für den Großteil ihres Lebens war sie jemand gewesen, dank Maslowski. Nun hatte man ihr deutlich zu verstehen gegeben, daß auch sie nur eine Nummer war, wenn es darauf ankam.
      Das reichte. Sie knipste die Nachttischlampe an, griff nach ihrer Tasche und nahm den Umschlag heraus, den sie von Devlin bekommen hatte. Der britische Paß war ein Prachtstück; laut Datum vor drei Jahren ausgestellt. Er enthielt ein amerikanisches Visum. Die USA hatte sie zweimal besucht, ebenso Westdeutschland, Italien und Spanien. Der letzte Stempel war von der französischen Paßkontrolle und eine Woche alt. Nette Idee. Sie hieß Joanna Frank, Geburtsort London, Beruf: Journalistin. Das Paßbild sah ihr, wie Devlin gesagt hatte, täuschend ähnlich. Der Umschlag enthielt sogar zwei an ihre Londoner Adresse in Chelsea gerichtete Privatbriefe, eine American-Express-Karte und einen britischen Führerschein. Man hatte wirklich an alles gedacht.
      Die Alternativrouten waren klar dargestellt. Es bestand die Möglichkeit eines Direktfluges von Paris nach London, aber die schied aus. Erstaunlich, wie kühl und berechnend sie nun war. Es ging ein Zug von Paris nach Rennes, wo sie Anschluß nach St. Malo, einer Küstenstadt in der Bretagne, hatte. Von dort gab es eine Tragflügelboot-Verbindung zur Kanalinsel Jersey. Und von Jersey starteten mehrmals täglich Maschinen nach London.

      Sie stand leise auf, ging auf Zehenspitzen ins Bad und machte die Tür hinter sich zu. Dann hob sie den Hörer des Wandtelefons ab und rief den Empfang an. Dort war man höchst effizient. Jawohl, es ging ein Nachtzug nach Rennes, um dreiundzwanzig Uhr ab Gare du Nord. In Rennes ein kurzer Aufenthalt, aber sie sollte St. Male zur Frühstückszeit erreichen. Genug Zeit also, das Tragflügelboot zu nehmen.
      Sie betätigte die Toilettenspülung und ging zurück ins Zimmer, recht zufrieden mit sich selbst, weil sie weder ihren Na

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    men noch ihre Zimmernummer genannt hatte. Die Anfrage hätte von jedem der Hunderten von Gästen kommen können.
      »Tanja, sie zwingen dir einen Dschungel-Instinkt auf«, sagte sie leise vor sich hin.
      Aus dem Kleiderschrank holte sie ihre Reisetasche, in der sie alle ihre Utensilien zu Konzerten mitnahm. Viel konnte sie darin nicht verstecken; das würde auffallen. Sie dachte eine Weile nach, holte dann ein Paar Stiefel aus weichem Wildleder und rollte sie so auf, daß sie sich säuberlich auf dem Boden der Tasche verstauen ließen. Anschließend nahm sie einen schwarzen einteiligen Hosenanzug vom Bügel, faltete ihn und legte ihn dazu. Obendrauf kamen ihre Noten und die Orchesterpartitur, die sie studiert hatte.

      Mehr war nicht zu tun. Sie ging ans Fenster und spähte hinaus. Es regnete wieder, und sie fröstelte, fühlte sich auf einmal einsam, dachte an Devlin und seine innere Stärke. Kurz erwog sie, ihn anzurufen, aber das kam nicht in Frage, nicht von hier aus. Sie legte sich wieder ins Bett und knipste die Lampe aus. Wenn sie nun doch nur eine oder zwei Stunden schlafen könnte! In ihrem Bewußtsein tauchte ein Gesicht deutlich auf: Cuchulains kalkweißes Antlitz und seine dunklen Augen ließen sie nicht zur Ruhe kommen.
      Zum Konzert trug sie ein schwarzes Samtkleid von Baimain mit passender Jacke. Die Perlen, die sie am Hals und an den Ohren trug, sollten Glück bringen; die Maslowskis hatten sie ihr vor der Endrunde des Tschaikowsky-Wettbewerbs, ihres größten Triumphes, zum Geschenk gemacht.
      Natascha kam herein und blieb an der Frisierkommode hinter ihr stehen. »Bist du soweit? Die Zeit wird knapp.« Sie legte Tanja eine Hand auf die Schulter. »Du siehst bezaubernd aus.«

    »Oh, danke. Meine Tasche habe ich schon gepackt.«
      Natascha hob sie auf. »Hast du auch ein Handtuch hineingetan? Das vergißt du sonst immer.« Ehe Tanja Einspruch erheben konnte, hatte sie den Reißverschluß aufgezogen und er
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    starrte, schaute das Mädchen mit großen Augen an.
      »Bitte, Natascha«, sagte Tanja leise. »Wenn ich dir je etwas bedeutet habe…«

      Die ältere Frau holte tief Luft, ging ins Bad und kam mit einem Handtuch zurück, das sie zusammenfaltete und in die Tasche legte. Dann zog sie den Reißverschluß zu. »So«, sagte sie. »Wir sind fertig.«
    »Regnet es noch?«

    »Ja.«
      »Dann lasse ich das Samtcape hier und nehme lieber den Trenchcoat mit.«
      Natascha holte ihn aus dem Kleiderschrank und

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