Die Stunde des Jägers - EXOCET
blieb im Eingang stehen. Da war nur Lachlan Brodie, der auf dem Hocker des Zugführers saß und sich das blutige und verschwollene Gesicht hielt. Trent rutschte das Herz in die Hose. »Raus damit«, sagte er resigniert. Brodie berichtete, so gut er konnte. Als er geendet hatte, fragte Trent: »Sie ließen sich also von ihm überrumpeln, obwohl er in Handschellen war?«
»Das war nicht so einfach, wie es sich anhört, Sir«, sagte Brodie kläglich.
»Sie Blödmann!« fuhr Trent ihn an. »Wenn ich mit Ihnen fe rtig bin, können Sie von Glück sagen, wenn Sie in einer Bedürfnisanstalt Anstellung finden.«
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Er drehte sich angewidert um und ging über den Bahnsteig zurück, um Ferguson anzurufen.
Cussane machte in diesem Augenblick im Schutz einiger Felsblöcke auf einer Hügelkuppe nördlich von Dunhill Rast. Auf der Wanderkarte, die er bei Moira McGregor gekauft hatte, fand er ohne Schwierigkeiten Larwick, an dessen Rand der Hof der Mungos lag. Noch gut fünfzehn Meilen also, und vorwiegend durch Hügelland, aber er war trotzdem guten Mutes, als er aufbrach. Dunst, der sich von links und rechts herankräuselte, und heftiger Regen gaben ihm ein Sicheres Gefühl der Eingeschlossenheit, Losgelöstheit von der Außenwelt, eine Art Freiheit. Er schritt durch einen Birkenwald und nassen Farn, der ihm die Hosenbeine durchweichte. Hin und wieder scheuchte er beim Vorbeigehen Waldhü hner und Regenpfeifer aus dem Heidekraut auf. Er blieb in Bewegung, denn inzwischen war sein Regenmantel durchweicht, und er hatte genug Erfahrung, um zu wissen, wie gefährlich es in dieser Berglandschaft sein konnte, wenn man unzulänglich gekleidet war.
Vielleicht eine Stunde nach dem Sprung aus dem Zug erreichte er die Kante eines Steilhangs und schaute in ein Tal hinab. Es dämmerte schon, aber ein von Menschen angelegter Pfad, der an einer Pyramide aus Feldsteinen endete, war wenige Meter weiter deutlich zu erkennen. Das genügte; er eilte mit frischen Kräften weiter und hangabwärts.
Ferguson betrachtete sich eine große Wanderkarte des schottischen Hochlands. »Offenbar bestieg er den Bus in Morecambe«, sagte er. »Das haben wir festgestellt.«
»Eine geschickte Art, nach Glasgow zu gelangen, Sir«, bemerkte Fox.
»Kaum«, wandte Ferguson ein. »Er löste eine Fahrkarte nach einem Nest namens Dunhill. Was, zum Teufel, wollte er dort?«
»Kennen Sie sich in der Gegend aus?« fragte Devlin.
»Vor zwanzig Jahren habe ich einmal auf dem Gut eines Be
kannten eine Woche läng gejagt. Komische Landschaft, diese
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Galloway-Berge. Hochwälder, scharfe Kämme, überall versteckt liegende kleine Lochs.«
»Sagten Sie Galloway?« Devlin schaute sich die Karte genauer an. »Das ist also Galloway?«
Ferguson runzelte die Stirn. »Na und?«
»Dort, glaube ich, ist er«, sagte Devlin. »Das war die ganze Zeit sein Ziel.«
»Wie kommen Sie darauf?« fragte Fox.
Devlin berichtete von Danny Malone, und als er geendet hatte, meinte Ferguson: »Da mögen Sie recht haben.«
Devlin nickte. »Danny erwähnte eine Reihe konspirativer Häuser in verschiedenen Landesteilen, die von der Unterwelt benutzt werden. Cussanes Auftauchen in der Nähe von Galloway muß im Zusammenhang mit dem Hof der Brüder Mungo stehen.«
»Was unternehmen wir jetzt, Sir?« fragte Fox Ferguson. »Lassen wir die Sicherheitspolizei Glasgow bei den Mungos Razzia machen?«
»Kommt nicht in Frage«, versetzte Ferguson. »Die Polizei dort hat uns gerade einen klassischen Beweis ihrer Tüchtigkeit geliefert; man hatte ihn, ließ ihn aber wieder entwischen.« Er warf einen Blick durchs Fenster in die Nacht. »Heute ist es sowieso zu spät. Auch für ihn. Er ist bestimmt noch zu Fuß in den Bergen unterwegs.«
»Zweifellos«, nickte Devlin.
»Sie fliegen morgen mit Harry nach Glasgow und sehen sich diesen Mungo-Hof persönlich an. Ich nehme Sondervollmacht in Anspruch. In diesem Fall wird die Sicherheitspolizei tun, was Sie sagen.«
Ferguson ging hinaus. Fox bot Devlin eine Zigarette an. »Was meinen Sie?«
»Man hatte ihn in Handschellen«, erwiderte Devlin, »aber er entkam. Das spricht für sich.«
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Cussane lief bergab durch einen Birkenwald und folgte dem Lauf eines hübschen kleinen Baches, der zwischen verstreuten Granitblöcken dahinsprang. Obwohl es bergab ging, begann er zu ermüden.
Der Bach ve rschwand über eine Felskante und stürzte wie schon mehrmals zuvor in ein
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