Die Stunde des Jägers - EXOCET
Reisetasche darauf gestanden hatte, die nun zu Boden fiel. Da der Reißverschluß offen gewesen war, fielen nun mehrere Gege nstände heraus, darunter zwei Hemden, die Pyxis und die violette Stola.
»Ist das seine Tasche?« fragte Brodie. /
Sie stand mit dem Kessel in der Hand am Herd. »Ja.«
Er ging auf die Knie, stopfte die Sachen zurück in die Tasche und zog dann die Brauen zusammen. »He, was ist denn das?«
Durch einen unglücklichen Zufall hatte sich der doppelte Boden der Tasche beim Hinfallen gelöst. Als erstes bekam Brodie einen britischen Paß zu Gesicht. Er schlug ihn auf. »Hm, mir hat er erzählt, er hieße Fallon.«
»Na und?« sagte Moira.
»Wie kommt es dann, daß er einen Paß auf den Namen Pater Sean Daly hat? Das Paßbild sieht ihm auch ähnlich.« Er tastete weiter und zog die Stetschkin hervor. »Allmächtiger!«
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Moira wurde blaß. »Was hat das zu bedeuten?«
»Das werden wir bald herausfinden.«
Brodie ging zurück ins Nebenzimmer und stellte die Tasche auf einen Stuhl. Cussane lag mit geschlossenen Augen still da. Brodie kniete sich neben ihn, nahm ein Paar Handschellen heraus und legte Cussane ganz behutsam einen Armreifen ums linke Handgelenk. Cussane schlug die Augen auf, Brodie packte das andere Handgelenk und ließ den Stahlring zuschnappen. Dann zerrte er den Priester auf die Beine und warf ihn in einen Sessel.
»Was hat das alles zu bedeuten?« Brodie hatte den doppelten Boden ganz abgehoben und stocherte im Geheimfach. »Drei Faustwaffen, diverse Pässe und eine beträchtliche Summe Bargeld. Schöner Priester! Was soll das?«
»Sie sind der Polizist, nicht ich«, bemerkte Cussane.
Brodie gab ihm eine Ohrfeige. »Bloß nicht frech werden, Hochwürden. Ich sehe schon, daß ich Sie kasteien muß.«
»Bitte nicht!« rief Moira McGregor, die von der Tür aus zusah.
Brodie grinste verächtlich. »Die Weiber sind doch alle gleich. Hast dich wohl in ihn verguckt, weil er den Helden gespielt hat.«
Er ging hinaus. »Wer sind Sie?« fragte sie Cussane verzweifelt.
Er lächelte. »Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle lieber nicht den Kopf zerbrechen. Aber auf eine Zigarette hätte ich schon Lust, ehe dieser Gorilla wiederkommt.«
Nach fünf Jahren als Militärpolizist war Brodie nun seit zwanzig Jahren Polizeibeamter und hatte eine sehr durchschnittliche Karriere hinter sich. Er war ein säuerlicher und brutaler Mann, der Autorität nur aus der Tatsache bezog, daß er eine Uniform trug, und mit seiner Religion hielt er es ähnlich: Eifern verschaffte ihm Scheinautorität. Er hätte das Präsidium
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in Dumfries verständigen können, aber da er in den Knochen spürte, daß hier etwas Besonderes vorlag, rief er gleich das Präsid ium in Glasgow an.
Glasgow hatte vor einer Stunde Cussanes Foto und detaillierte Personenbeschreibung erhalten. Der Fall erhielt die Dringlichkeitsstufe 1; jede Entwicklung war sofort an Gruppe Vier in London zu melden. Brodies Anruf wurde sofort zur Sicherheitspolizei durchgestellt. Binnen zwei Minuten hatte er einen Chefinspektor Trent am Apparat.
»Berichten Sie noch einmal von vorne«, befahl Trent. Brodie gehorchte. Als er geendet hatte, sagte Trent: »Ich weiß nicht, wie lange Sie schon bei uns sind, aber Sie haben gerade den größten Fang Ihrer Karriere gemacht. Dieser Mann heißt Cussane und ist ein IRA-Terrorist. Sagten Sie, die Fahrgäste des Busses, mit dem er kam, stiegen in einen Zug um?«
»Jawohl, Sir. Die Straße ist überschwemmt. Wir haben hier zwar nur eine Bedarfshaltestelle, aber der Schnellzug nach Glasgow soll gestoppt werden.«
»Wann trifft er ein?«
»In ungefähr zehn Minuten, Sir.«
»Nehmen Sie den, Brodie, und bringen Sie unseren Freund mit. Wir erwarten Sie in Glasgow.«
Atemlos vor Erregung legte Brodie auf. Dann ging er zurück in den Wohnraum.
Brodie führte Cussane den Bahnsteig entlang, hielt mit einer Hand seinen Arm, mit der anderen die Reisetasche fest. Die Leute drehten sich neugierig um, als der Priester in Handschellen vorbeikam. Sie erreichten den Wagen des Zugführers am Ende des Zuges. Der Zugführer stand an der offenen Tür auf dem Bahnsteig.
»Wer ist denn das?«
»Sondertransport – ein Festgenommener für Glasgow.« Brodie stieß Cussane in den Wagen. In der Ecke lagen einige Post
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säcke, auf die er ihn warf. »So, und jetzt seien Sie schön still und brav.«
Es gab einen Aufruhr, und
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