Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
hätte, als der gerade den Schwanz in einem vierzehnjährigen Mädchen hatte.
Im nächsten Beitrag ging es um ein neues Modegeschäft in Inverurie, das gerade irgendeinen tollen Preis gewonnen hatte – dazu hatte PC Steve keinen Kommentar parat –, und dann kam die Topmeldung des Tages: Vier Tote bei Hausbrand! Aber es war der letzte Beitrag vor dem Wetter, der Logan so richtig die Laune verdarb. »Kollegen und Freunde haben heute Constable Trevor Maitland Tribut gezollt, dem Polizeibeamten, der vor wenigen Wochen bei einer Operation zur Sicherstellung von Diebesgut angeschossen wurde und gestern seinen schweren Verletzungen erlag.« Anschließend versicherte eine Frau den Hörern mit tränenerstickter Stimme, was für ein wunderbarer Ehemann und Vater ihr Trevor gewesen sei. Und eine andere Stimme fügte hinzu: »Trev wollte ja nie zur Kripo, anders als die meisten. Klar hätt er das Zeug dazu gehabt, keine Frage, aber er wollte eben bei den Uniformierten bleiben, als normaler Streifenpolizist, der den Leuten auf der Straße hilft, wo er kann. Das war unser Trev, so haben wir ihn gekannt.« Und schließlich die Stimme des Schicksals – jedenfalls, was die Grampian Police betraf: Stadtrat Andrew »Ich bin ein ganz, ganz Schlimmer« Marshall. »In einem Moment wie diesem ist es wichtig, sich daran zu erinnern, welch wertvolle Arbeit Menschen wie Officer Maitland und seine Kollegen Tag für Tag auf den Straßen von Aberdeen leisten. Ich bin sicher, dass ich im Namen aller Bürgerinnen und Bürger spreche, wenn ich sage, dass unsere Gedanken in diesen schwierigen Stunden stets bei seiner Familie sind.« Und das war alles. Keine Vorwürfe wegen Inkompetenz, nichts von seinen üblichen Anti-Polizei-Tiraden. Hätte Logan am Steuer gesessen, er hätte vor Schreck einen Unfall gebaut.
»Ach du Scheiße!«, sagte PC Steve und starrte entgeistert das Radio an. »Habe ich das richtig gehört, was unser Stadtrat Schneckengesicht da gerade gesagt hat? Hat er sich wirklich die Chance entgehen lassen, uns wieder mal durch den Kakao zu –«
»Passen Sie lieber auf, wo Sie hinfahren!« Logan hielt sich am Armaturenbrett fest, als PC Steve die Bremse reinhaute und das Steuer herumriss, um den Wagen auf die eigene Spur zurückzulenken.
Es war kurz nach eins, als Steve ihn am Präsidium absetzte – noch genügend Zeit, um in der Kantine einen Happen zu essen, ehe der Nachmittag ihm endgültig den Rest geben würde. Er hatte gerade die ersten zwei Ziffern des Zugangscodes für die innere Tür in das Tastenfeld eingegeben, als Sergeant Eric Mitchell hinter der hohen Glasscheibe auftauchte, die den Empfangstresen abschloss, und rief: »Sergeant! Sergeant McRae, könnten Sie mal eben helfen?« Logan wandte den Kopf, um zu sehen, was los war, und das Herz sackte ihm in die Hose, als er erkannte, wer da auf einem der hässlichen lila Stühle an der Wand gegenüber dem Eingang saß: teurer Anzug, dünne Aktenmappe, Brille mit halbmondförmigen Gläsern auf der Nasenspitze, überhebliche Miene: Sandy Moir-Farquharson, alias Sandy die Schlange, auch bekannt als der Schleimige Widerling, oder was einem sonst noch so ganz spontan an abschätzigen Spitznamen einfallen mochte. Das hatte Logan nun wirklich noch gefehlt; das war die perfekte Krönung dieses ganzen beschissenen Monats. Ach was, des ganzen Jahres. Sandy Moir-Farquharson: der fiese Drecksack, der Angus Robertson verteidigt hatte, das Monster von Mastrick. Der die Welt davon zu überzeugen versucht hatte, dass Robertson im Grunde das wahre Opfer sei und nicht etwa die fünfzehn Frauen, die er vergewaltigt und ermordet hatte. Und dass die Grampian Police im Allgemeinen und Logan im Besonderen die eigentlichen Schuldigen seien. Und fast wäre es ihm gelungen.
Moir-Farquharson war schon halb aufgesprungen, als Eric auf die andere Sitzreihe deutete, die am Fenster zur Straße. Dort, unter der Gedenktafel für die in beiden Weltkriegen gefallenen Angehörigen der Grampian Police, saß schniefend eine attraktive Frau und knetete mit beiden Händen ein Taschentuch, als wollte sie es erwürgen. Sandy die Schlange konnte gerade noch sagen: »Ich war zuerst hier!«, als Logan die Frau auch schon in ein kleines Zimmer eskortiert hatte, das neben dem Empfangsbereich lag, und dem Anwalt die Tür vor der Nase zumachte. Sie war hübsch, selbst mit ihren verheulten Augen: langes, blondiertes Haar, leichte Stupsnase – im Moment mit einem kleinen Tropfen an der Spitze verziert –, volle
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