Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Rennie alleinlässt, bring ich dich um!«
»Hast du …« Logan brach ab und stieß einen Fluch aus.
»Was?«
»Mir ist gerade einiges klar geworden. Das Ganze ist ein einziger Revierkrieg. Malk the Knife hat es sich in den Kopf gesetzt, den Aberdeener Drogenmarkt aufzumischen. Er schickt Chib und seinen Kumpel hier rauf – sie kriegen raus, dass Karl Pearson ein Dealer ist, also schnappen sie ihn sich und foltern das arme Schwein, bis er seine Partner verrät. Dann verbrennt Chibs Lustknabe sie bei lebendigem Leib. Mit Graham Kennedys Großmutter ist es die gleiche Geschichte.« Er deutete Richtung Holburn Street, wo der Himmel grellorange leuchtete. »Zuerst versuchen sie sie einzuschüchtern, damit sie die Finger vom Dealen lässt, aber das funktioniert nicht, also ist sie die Nächste. Der Himmel weiß, wie das zweite Haus da reinpasst – vielleicht wussten sie Bescheid über Malks Aktivitäten und mussten deswegen auch verbrennen. Chib und sein Kumpel haben die ganze Konkurrenz aus dem Weg geräumt.« Er zog sein Handy aus der Tasche, rief die Leitstelle an und verlangte zwei Streifenwagen, aber dalli.
Jackie versuchte verzweifelt, mit den Händen auf dem blutgetränkten Stoff Halt zu finden, während Steves Brust sich hob und senkte. »Wo bleibt denn der Scheißkrankenwagen?«
»Der wird jeden Moment hier sein. Es wird alles gut«, log er und versuchte, überzeugter zu klingen, als er war – die ganze Sache war eine einzige beschissene Katastrophe.
»Wie geht’s ihm?«
»Es geht dir prima, nicht wahr, Steve?« Die Heiterkeit war so gezwungen wie das Lächeln. Steve schüttelte sich nur und blutete weiter.
Logan riss den Kopf herum, als das klagende Heulen einer Sirene hinter ihm ertönte. »Wurde aber auch langsam Zeit!« Er ergriff Steves kalte, blutüberströmte, zitternde Hand. »Kommen Sie, jetzt dauert’s nicht mehr lange. Sie werden schon wieder.« Aber Steves Augen blickten ins Leere, und sein Atem wurde immer schwerer und mühsamer. Der blutige Schaum kam jetzt nicht mehr nur aus seinem Mund, er quoll auch zwischen Jackies Fingern hervor.
42
Das kalte blaue Licht des Krankenwagens strich über den Asphalt und blitzte in den Fenstern der geparkten Autos und der Häuser am unteren Ende der Holburn Street. Seit der erste Schuss gefallen war, hatten ringsum die Vorhänge gezuckt, aber jetzt hatten die Bewohner sie ganz geöffnet, und ihre Silhouetten zeichneten sich vor den hell erleuchteten Schlafzimmern ab, aus denen sie auf den Pkw, den Krankenwagen und den sterbenden Polizisten hinunterstarrten.
Jackie saß auf der Motorhaube des von Kugeln durchsiebten Fiat und schlug die Hand eines Sanitäters weg, der seinen Zeigefinger vor ihren Augen hin- und herbewegte, um festzustellen, ob sie eine Gehirnerschütterung hatte. »Mir fehlt nichts! Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!«
Steve wurde hastig auf eine Trage geschnallt, bekam Infusionsschläuche in den Arm und eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht, während sich auf seiner Brust ein dicker Druckverband wölbte. Sie hoben ihn in den Krankenwagen, die Türen knallten, die Sirene heulte los, und der Fahrer trat aufs Gaspedal, um Steve auf dem schnellsten Weg ins Aberdeen Royal Infirmary zu bringen.
Logan telefonierte immer noch mit dem Präsidium und wies die Leitstelle an, auf sämtlichen südlichen Ausfallstraßen Straßensperren errichten zu lassen. Chib würde den Wagen bei der ersten Gelegenheit loswerden wollen – ein silberner Mercedes mit zerschmetterter Windschutzscheibe war nicht gerade das unauffälligste Fluchtfahrzeug. Die Teams sollten daher nach zwei groß gewachsenen Männern mit Edinburgher Akzent Auschau halten, einer mit kurzen blonden Haaren, der andere mit langen dunklen Haaren und Schnurrbart. Beide bewaffnet und äußerst gefährlich. Nachdem er alles durchgegeben hatte, beendete er das Gespräch und tippte DI Inschs Nummer ein – Steel konnte er im Moment gar nicht gebrauchen. Was er brauchte, war Rückendeckung von jemandem, der ihm wirklich vertraute.
»Na, was erreicht?«, fragte Jackie, als Logan das Gespräch beendet hatte.
»Er war nicht gerade hocherfreut, um halb drei in der Früh aus dem Bett geklingelt zu werden, aber er ist unterwegs.« Logan rieb sich mit müden Händen das Gesicht. Der Adrenalinstoß, den die Schießerei ausgelöst hatte, war abgeebbt; jetzt war er nur noch erschöpft, und ihm war übel. »Er wird den Polizeipräsidenten anrufen und ihm von der Sache mit Steve berichten.« O Gott, da
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