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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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angezogen, sie immer im Kostüm, meist dunkelgrau, er immer in Anzug und Weste, meist dunkelblau. Sie aß immer Salat und Fisch, er immer eine Leberknödelsuppe und dann einen Schweinsbraten. Sie reservierten den Tisch unter dem Namen Mayer, aber so hießen sie nicht. Beide waren sie Jahrgang 1935.
    Der Mann in dem dunkelblauen Anzug war zehn Jahre alt gewesen, als sein Vater vor seinen Augen verhaftet, später verurteilt und hingerichtet wurde. Hans Breitmann war der Vater, einer der schlimmsten Nazi-Verbrecher, verantwortlich für Hunderttausende von Toten. Und eben sein Vater. Walter Breitmann war der einzige Sohn. Im »Käfer« nahm er mittwochs gern noch einen Nachtisch. Vanilleeis mit heißen Himbeeren.
    Die Frau in dem grauen Kostüm war ebenfalls zehn Jahre alt gewesen, als man den Vater abgeholt und später verurteilt hatte zu dreißig Jahren Haft. Traugott von Gerrach war der Vater, einer der hochrangigsten Nazi-Schergen, verantwortlich für Tausende von Toten. Und eben ihr Vater. Maria von Gerrach, die Tochter. Sie trank mittwochs nach dem Essen einen doppelten Espresso.
    Seit Jahrzehnten fanden ihre Treffen statt. Die Kellner im »Käfer«, das hatte Maler Erfahrung gebracht, mochten dieses Paar, auffallend gutgelaunt seien sie immer, wobei vor allem der Mann über ein geradezu sensationelles Kichern verfüge. Die Rechnung begleiche am Ende immer sie, mit einem großzügigen Trinkgeld.

    Es war kurz vor 14 Uhr, als August Maler an diesem Mittwoch an den Tisch der beiden trat. Beige Hose, beige Stoffjacke, ein bisschen blass um die Nase, aber sonst hätte man auf den ersten Blick keinen Unterschied zu früher bemerkt.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Maler, »darf ich Sie kurz stören?«
    Maria von Gerrach schaute ihn durchaus freundlich, aber auch leicht spöttisch an. »Um was geht es, bitte?«
    »Ich bin von der Polizei, genauer: von der Mordkommission. Mein Name ist Maler. Ich habe ein paar Fragen, dauert nicht lange. Darf ich mich setzen?«
    »Aber bitte«, sagte Walter Breitmann und kicherte. Ein meckerndes, junges Kichern, das so gar nicht zu dem seriös wirkenden weißhaarigen Mann passte. »Müssen wir Angst vor Ihnen haben?« Wieder kicherte er. »Sie müssen wissen, wir sind keine ängstlichen Leute. Uns kann nichts mehr schrecken, nicht mal die Polizei.« Sein Kichern hörte gar nicht mehr auf.
    Maler setzte sich. »Sagt Ihnen der Name Wolfgang von Kattenberg etwas?«
    Maria von Gerrach bekam plötzlich einen strengen Zug um den Mund. »Moment, jetzt habe ich erst einmal eine Frage. Wie kommen Sie auf uns? Wieso stehen Sie hier?«
    »Ich ermittle in einem Mordfall«, sagte Maler. »Das Opfer ist Wolfgang von Kattenberg, 51 Jahre alt. Er wurde in einer Privatmaschine am Flughafen gefunden. Wir wissen bislang wenig über ihn. Daher noch einmal meine Frage: Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Maria von Gerrach wurde noch ein wenig strenger. »Sie haben auf meine Frage nicht geantwortet, Herr Kommissar, ich wiederhole sie ebenfalls noch einmal: Wie kommen Sie auf uns?«
    »Frau von Gerrach«, sagte Maler, »Herr Breitmann, ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Mir wurde gesagt, niemand weiß so viel über Menschen mit einer ähnlichen Familiengeschichte wie Sie beide.«
    »Wer sagt das?«, fragte sie.
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen.«
    »Maria«, sagte Walter Breitmann, »wir wollen den Herrn Kommissar nicht weiter quälen. Er möchte etwas über Nazi-Kinder wissen, alle wollen das immer wissen. Wie lebt es sich mit solchen Namen, Göring, Himmler, Breitmann, von Kattenberg … Im Grunde bin ich nie in meinem Leben etwas anderes gefragt worden. Wie ist das, wenn man ein Monster als Vater hat? Wird man dann auch ein Monster?« Er kicherte wieder. Kurze Pause. Wieder Kichern. »Wolfgang von Kattenberg? Nein, ich kannte ihn kaum. War ja schon die Enkelgeneration. Ich war bei seiner Abiturfeier, die Familie hat das damals groß gefeiert, lange her. Du warst auch da, Maria, oder?«
    Maria von Gerrach nickte. »Er trug damals als Einziger Jeans, er wollte ein kleiner Rebell sein. Lange Haare hatte er, der Wolfgang. Bisschen arrogant war er, gefiel mir. Ich mochte ihn. Es hat mich nicht überrascht, als er eines Tages verschwunden war. Kurze Zeit danach war auch der Bruder verschwunden. Der war älter, wie hieß der noch?«
    »Philipp. Philipp hieß der«, sagte Breitmann. »War so ein riesiger Kerl.«
    »Bei den Kattenbergs hat sich eine ganze Generation ausgelöscht, ja, selbst ausgelöscht.

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