Die Stunde des Spielers
Geschichte von Vegas? Wie es entstanden ist?«
»Ein bisschen. Hat was mit dem organisierten Verbrechen und Frank Sinatra zu tun, stimmt’s?«
»Bugsy Siegel hat das Flamingo erbaut, eines der ersten großen Casinos. Die neueste Version befindet sich immer noch direkt hier am Strip. Aber er hat außerdem bis zum Hals im organisierten Verbrechen gesteckt, und er hat die falschen Leute verärgert. Also - bang- haben sie ihn umgebracht. Und es heißt, er sei immer noch hier und gehe im Garten des Flamingo um.« Sie zog vielsagend eine Braue in die Höhe.
»Das ist ja so cool«, sagte ich. Sogar unheimlich! Ich sah direkt einen geschniegelten Gangster im Filzhut vor mir, wie er unter den Palmen herumschlenderte. »Haben Sie ihn schon mal selbst zu Gesicht bekommen?«
»Nein. Aber ich habe eine Freundin, die dort als Kartengeberin arbeitet, und sie hat ein paar Geschichten zu erzählen.«
»Vielleicht werde ich Sie noch um die Nummer Ihrer Freundin bitten.«
»Dann gibt es da diesen Magier drüben im Diablo. Ganz einfach, das gewöhnliche Zeug. Kartentricks, Leute, die
verschwinden, all so etwas.«
Die Haare in meinem Nacken richteten sich auf, weil ich bereits instinktiv erraten hatte, was sie gleich sagen würde. »Und?«, half ich ihr weiter.
»Manche Leute behaupten, dass es echt ist, wenn er diese Nummern abzieht. Keine Tricks - die Dinge passieren wirklich.«
Früher wäre ich in Gelächter ausgebrochen. Ich hätte eine solche Geschichte als Sensationshascherei abgetan. Dieser Magier setzte derartige Gerüchte über sich in Umlauf, um Aufsehen zu erregen. Dann wurde ich vor fünf Jahren von einem Werwolf angegriffen und mit Lykanthropie infiziert. Ich hatte viele unglaubliche Dinge als Tatsachen anerkennen müssen: Vampire, Werwölfe, medial begabte Menschen. Und Magie. Die Erforschung dieser Themen war zum Grundstock meiner Sendung geworden.
»Sie haben sich die Show angesehen?«
»O ja«, sagte sie auf eine Art und Weise, die erkennen ließ, dass sie zu den Leuten gehörte, die vielleicht tatsäch-lich daran glaubten.
»Wieso glauben die Leute, dass er wirklich zaubert?«
»Sehen Sie ihn sich einfach an. Wahrscheinlich schaffen Sie es noch zur Nachmittagsvorstellung.«
»Okay. Ich gehe hin.«
Sie warf einen Blick auf ihr Klemmbrett und die endlose Checkliste. »Sie müssen sich die Möbel aussuchen, die Sie haben wollen. Wir haben zwei Sessel und Sofas hertransportiert. Aber Sie kommen vom Radio - haben Sie überhaupt einen bestimmten Stil?«
»Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich einen entwickle.«
Danach rief ich Ben an. Diesmal ging er an den Apparat.
»Hey, Kitty«, sagte er ein wenig atemlos. »Ich kann nicht lange reden, aber ich habe deine Nachricht bekommen.«
»Und sollte ich mir Sorgen machen?«, fragte ich.
»Ich glaube nicht. Sie hat dich wahrscheinlich bloß einschätzen wollen. Wenn sie es tatsächlich auf dich abgesehen hätte, hättest du sie überhaupt nicht bemerkt.«
»Warum nur beruhigt mich das nicht?«
»Oh - die Pause ist vorbei. Hör zu - ich nehme an einem Satellitenspiel für dieses Turnier teil, und ich glaube, ich könnte tatsächlich gewinnen. Aber ich muss los.«
Wahrscheinlich wollte er sich also keine Illusionsshow mit mir ansehen gehen. Doch er klang aufgeregt. Und, hey - gewinnen. Das war gut, oder etwa nicht?
»Kann ich uns wenigstens einen Tisch zum Abendessen reservieren?«, fragte ich.
»Sicher. Bis dann.«
Nachdem ich die Reservierung erledigt hatte, rief ich anschließend im Diablo an, um in Erfahrung zu bringen, ob es noch Karten für die Show gab, was der Fall war. Ich nahm mir ein Taxi dorthin.
Das Diablo schien optisch der heruntergekommenen Schattenseite eines mexikanischen Ferienortes nachempfunden zu sein. Natürlich alles poliert und für die Touristen auf Vordermann gebracht, also keine Drogen-
dealer oder eine außer Kontrolle geratene, feierwütige Partymeute. Auch wenn mir ein paar Mädels auffielen, die sich wild benahmen. Die Cocktail-Bedienungen trugen Röcke mit Leopardenmuster. Der Rest hatte beinahe etwas Karnevaleskes, viel Rot, viele Lichter, viel Geschmacklos-Knallbuntes. Und wie in jedem anderen Casino zu viel Lärm, zu viele Leute. Ich war nicht einmal mehr in der Lage, etwas zu wittern.
Odysseus Grant pries sich selbst nicht als Magier an, der tatsächlich zaubern konnte. Auf diese Weise hätte er wie jeder andere Zauberer geklungen, der im Laufe der letzten hundert Jahre ein Kaninchen aus dem Hut gezogen hatte. Sie
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