Die Stunde des Spielers
gehen.
Gelegentlich erkannte mich jemand in der Öffentlichkeit. Nicht so oft, dass ich mich je daran gewöhnt hätte. Doch dass es hier passierte, direkt vor diesem Waffenkongress, war zu viel für meine Paranoia. Vielleicht war es Zufall. Vielleicht nicht. Ich sah mich nach einem großen glatzköpfigen Mann in Leder um, doch keine Spur von ihm. Aber das wollte nichts heißen.
Aus einer Ahnung heraus rief ich: »Sylvia?«
Sie sah zurück.
Unsere Blicke trafen sich. Ihre Miene verdüsterte sich kurzzeitig, doch dann lächelte sie. Es war kein normales, freundliches Lächeln, sondern verschlagen, herausfordernd. Als habe sie mich ausgekundschaftet, in Erfahrung gebracht, was sie zu tun habe, und als mache es ihr nichts aus, wenn ich über sie Bescheid wusste. Ich widerstand dem Verlangen, die Flucht zu ergreifen.
Sie drehte sich wieder um und verschwand in der Menschenmenge vor dem Festsaal.
Mein Herz hämmerte. Zwar war ich mir nicht sicher, was da eben passiert war, aber es konnte nichts Gutes sein. Ich ging weiter, wobei ich immer wieder über die Schulter sah.
Eventuell waren die Kopfgeldjäger gar nicht wirklich hinter mir her. Doch wenn sie es waren, würde ich sie bei der ganzen sensorischen Überbelastung hier vielleicht gar nicht kommen hören.
Vier
Ich rief Ben vom Handy aus an, doch er musste noch bei seinem Pokerspiel sein, denn es meldete sich nur die Voicemail. Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Sylvia und suchte krampfhaft nach so etwas wie einer Versicherung, dass nicht das ganze Hotel hinter mir her war.
In der Zwischenzeit hieß es, wie man so schön sagte: The show must go on.
Dank der Beschreibung der Produzentin fand ich einen unverschlossenen Notausgang, der in das Theater führte. Dort arbeiteten drei Leute auf der Bühne: Zwei Männer transportierten einen Tisch und technische Ausrüstung - Radiosendegeräte - nach den Anweisungen einer Frau mit einem Klemmbrett, die eine Checkliste durchzugehen schien. Ich ging direkt auf sie zu. Das Klemmbrett: universelles Symbol einer Person, die Verantwortung trug.
»Hi, Sie müssen Erica Decker sein. Ich bin Kitty Norville.«
Sie strahlte mich an, als ich die Stufen zur Bühne emporstieg. Sie war eine schlanke Schwarze mit gelockten Haaren in einem dicken Pferdeschwanz. Wie fast jeder, dem ich im Showbusiness begegnet war, hatte sie etwas Angespanntes, Manisches an sich: Alles war wichtig, und alles musste auf der Stelle erledigt werden. Seltsamerweise erfüllte mich dieses Auftreten mit Zuversicht. Sie arbeitete für die Tochtergesellschaft eines der örtlichen Sendernetze, die halbstündige Nachrichtensondersendungen zusammenstellte, und Ozzie kannte sie von seinem letzten Arbeitsplatz in Los Angeles, wo er stellvertretender Programmchef und sie Praktikantin gewesen war.
»Großartig, Sie haben hergefunden«, sagte sie. »Was halten Sie davon?«
Ich hatte mir das Theater bisher kaum angesehen. Für Las Vegas war es recht klein und intim, und gewöhnlich traten hier Stand-up Comedians und Sänger vor kleinerem Publikum auf. Es war sauber, zweckmäßig, modern, hatte blaue Plüschsitze, dunkelblau gestrichene Wände und war dezent beleuchtet. Vor meiner Ankunft hatten wir besprochen, dass auf die Bühne ein Tisch für meinen Bildschirm sollte, auf dem die Anrufer angezeigt wurden, sowie zwei Stühle für Gäste; die Sitzplätze sollten mit Publikum gefüllt werden. Ich hoffte, dass ich ausreichend Fans hatte, ansonsten würde es peinlich werden. Laut Erica lief der Vorverkauf gut, aber es gab noch genügend Tickets. Ich hatte weiterhin den schlimmsten Fall vor Augen - ein leeres Haus. Alle würden meine Sendung schwänzen, um sich stattdessen Mamma Mia! anzusehen. Eigentlich war der Veranstaltungsort richtig toll. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass wir uns das Hotel mit einem Saal voller Waffen teilten.
Ich schenkte ihr mein fiesestes Lächeln. Die Leute hielten es wahrscheinlich für niedlich. »Es ist schön hier. Können Sie mir verraten, warum Sie es für eine gute Idee gehalten haben, das hier im selben Hotel wie eine Waffen-ausstellung zu organisieren?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wo ist das Problem? Die Tagung hat den Festsaal und ein Stockwerk mit Besprechungszimmern. Das Theater und alles darum herum gehört uns.«
»Es ist nur so« - wie konnte ich es erklären, ohne wie eine Verrückte zu klingen? - »es macht mich nervös. Manche Leute, die solche ... Dinge besuchen, haben ... nun ja ... Vorurteile
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